Karl Prümm

Ergebnisse, Tendenzen, Perspektiven

Zum Stand der regionalen Filmforschung

Regionale Filmforschung soll zunächst in ihrer Gesamtproblematik beleuchtet werden. Schon der Gegenstand bedarf vorab der grundsätzlichen Klärung. Obwohl bereits zahlreiche einschlägige Publikationen vorliegen, kann von der regionalen Filmforschung nicht umstandslos als einer etablierten, rundum anerkannten Teildisziplin der Filmwissenschaft gesprochen werden. Ihre Arbeitsfelder, ihre Aufgaben und ihre Ziele sind also zu bestimmen, Hindernisse und Schwierigkeiten zu skizzieren. Nur so kann die gegenwärtige Situation plausibel gemacht und mögliche Perspektiven entwickelt werden.

Der Begriff "regionale Filmforschung" soll im folgenden auf eine Forschung angewandt werden, die sich auf eng umgrenzte, überschaubare, kleinteilige Räume bezieht. Es handelt sich also um eine Recherche, die einen Ausschnitt wählt, die Perspektive einengt und ihren Gegenstand aus umfassenden Kontexten herauslöst. Eine bestimmte Lokalität, ein Dorf, ein Stadtteil, eine Stadt, eine Region, wird in den Blick genommen. Es ist dies eine höchst ambivalente Operation. Wer sich so entschieden begrenzt, der muß Einschränkungen und Reduktionen in Kauf nehmen. Ermöglicht werden so aber auch paradigmatische Verdichtung, Nähe zu den Phänomenen, Konzentration auf das Detail.

Solche reduktionistischen Operationen sind dem Medium Film eigentlich inadäquat. Der Film ist ubiquitär und beliebig reproduzierbar, er wendet sich an viele Zuschauer in allen Lokalitäten. Sein universeller Anspruch entzieht sich dem einseitigen regional istischen Interesse, er überschreitet das Kleinteilige und Eingegrenzte. Jede regionale Filmforschung, will sie nicht hoffnungslos in Provinzialität versinken, muß sich dieser Grundtatsache bewußt sein. Regionale Filmforschung reduziert nicht, sondern er höht die Ansprüche. Verlangt werden Selbstreflexion und Selbstkontrolle, ein ausgeprägtes Problembewußtsein, das Verzerrungen verhindert und die ausgeblendeten Kontexte dennoch präsent hat.

Der Kinematograph ist von Anfang an ein Medium der Metropolen. Die ersten flackernden Bilder, die jene “amüsanteste und interessanteste Erfindung des 19. Jahrhunderts" dort hervorbrachte, wo sie auf diese Weise annonciert wurde (1), in Berlin, bezeugen diesen Zusammenhang unmittelbar.

Die Kollektion "lebender Photographien", die die Gebrüder Skladanowsky seit November 1895 im"Wintergarten" darboten, enthielt bekanntlich auch Berliner Stadtansichten. Zwischen den exzentrischen Nummern des Varietès mit seinen internationalen Novitäten tauchen unversehens Bilder der Nähe und des Vertrauten auf: ein Blick auf die Hochbahn am Alexanderplatz und die sich unter ihr kreuzenden Ströme der Fuhrwerke und Fußgänger, ein Blick auf die pulsierende Prachtstraße "Unter den Linden".

Nicht zufällig erprobt sich das neue Medium an der Physiognomie der großen Stadt. Die kinematographischen Operationen sind gezielt, sie sollen die Brennpunkte der Stadt im Augenblick der dichtesten Zirkulation von Menschen und Verkehrsmitteln abbilden. Es hat den Anschein, als solle das Grundprinzip der modernen Großstadt prägnant sichtbar gemacht, Urbanität bündig definiert werden.

Über diese optische Definition der großen Stadt hinaus lassen sich aus den Straßenbildern der Kinopioniere noch zwei grundsätzliche Motive herauslesen. Daß sie ihre neue Apparatur gerade auf die Kreuzungen Berlins richteten, wirkt wie eine Dankesbezeugung an die Konzentration und Verdichtung der Großstadt, ohne deren technisches Potential die Präzisionsmaschinerie des Kinematographen nicht möglich gewesen wäre. Die begeistert aufgenommenen Straßenszenen banden vor allem das Publikum an das neue Medium. Den Betrachtern der "lebenden Photographien" bot sich die reizvolle Möglichkeit, sozusagen auf sich selbst zu blicken. Die Städtebewohner selber sind die ersten Akteure des frühen Kinos, Distanz und Affektion vermischen sich wie bei jedem Selbstbild.

Georg Lukàcs, ein eher auf Abwehr bedachter, höchst skeptischer Beobachter des frühen Kinos, attestiert den Straßenbildern einen" starken Humor und eine urkräftige Poesie".(2) Diese überhöhen und entlarven, so seine Einschätzung, die Stadt. Sie formulieren eine mitreißende Poesie der alltäglichen Bewegungen und geben zugleich ihr Objekt der Komik preis. In der Begrenztheit des Ausschnitts erscheinen das Geschiebe und das Gerenne in der Tat lächerlich, die aufgedrehte Ziellosigkeit absurd wie eine komödiantische Inszenierung. Alle übernervösen Bewegungen sind sämtlich auf Punkte "hors du champ", auf Ziele außerhalb des Bildes gerichtet. In seinen Anfängen gibt sich der Film nachdrücklich als Selbstmodellierung der Stadt zu erkennen. Sein ursprüngliches Feld ist die große Stadt mit ihrer bunten und tumultarischen Bewegtheit. Die "Straßenlandschaften" reizen ihn, er ist weit abgerückt von Provinz und Ländlichkeit.

Ein zweiter Aspekt ist entscheidend. Schon bald wird das sich in den Metropolen rasch ausbreitende Kino als vollendeter Ausdruck von Modernität identifiziert. Emilie Altenloh, die 1914 "Zur Soziologie des Kinos" promoviert, schreibt in ihrem Schlußkapitel nicht gerade einnehmend für den Gegenstand ihrer empirischen Untersuchung. "Das Kino ist eben in erster Linie für die modernen Menschen da, die sich treiben lassen und unbewußt auf den Gesetzen leben, die die Gegenwart vorschreibt." (3) Damit nähert sie sich der These Georg Simmels an, der in seinem berühmten, vielzitierten Essay "Die Großstädte und das Geistesleben"(1903) in der Gegenwart der großen Städte eine "über alles Persönliche hinauswachsende Kultur" konstatiert hatte, die er in das Bild des "Strom es" kleidet, in dem es kaum noch eigener Schwimmbewegungen bedarf. (4) Nicht nur in der Wahrnehmungsstruktur, die das Kino erforderte und in der virtuosen Reaktion auf spezifisch moderne Bedürfnisse erschien der Film als Erfüllung des Gegenwärtigen. Repräsentanz beanspruchte vor allem der industrielle Charakter, den er so rasch und nachhaltig offenbarte. Schon 1920 ist es für den Lyriker und späteren Drehbuchautor Rudolf Leonhard bloß noch eine "Banalität, daß die Filmindustrie die "modernste" Industrie ist". (5)

So evident war der Sachverhalt. Der rasante Aufstieg von der Schaubude zum omnipräsenten Massenmedium, von der optisch-mechanischen Werkstatt zur bedeutsamen Industrie, prädestinierte den Film bei aller oft kurzlebigen Spekulation und bei allem unübersehb aren planerischen Dilettantismus für die Rolle einer vielbewunderten Wachstumsbranche, für die ideale Verkörperung von Tugenden wie Tempo, Effizienz, technische Avanciertheit und Erfolg. Es ist dann auch erstaunlich, in welchem Maße der Film entscheidende industriegeschichtliche Tendenzen der zwanziger Jahre vorwegnimmt.

Die Konzentration seiner Produktionsmittel in der Metropole Berlin und das Prinzip der zentralen Planung sind früh ausgeprägt, der hohe Grad der internationalen Verflechtung bringt die Filmindustrie beim Ausbruch des Weltkrieges in Bedrängnis. Straff orga nisierte vertikale Konzerne gibt es hier schon vor 1914. Aber auch die Ambivalenz industrieller Modernität ist dem Film ins Gesicht geschrieben. Nicht umsonst ist er das Objekt nationaler und ideologischer Begierden. Technisch-planerisches Denken und ökonomische Rationalität sind immer auch durchdrungen vom politischen Kalkül, konservativ-kulturkritischem Räsonnement und nationalistischem Machtstreben. Die Dossiers, die die Ufa-Gründung begleiten, sind da beredt, die öffentlichen Verlautbarungen, mit denen die Filmindustrie ihre Errungenschaften anpreist, sind es nicht minder. Nach alledem ist es nicht verwunderlich, daß der Film vor allem in der Metropole Berlin in Erscheinung tritt, hier sichtbar wird und seine Spuren hinterlassen hat, und daß eine Rekonstruktion seiner Geschichte diese Spuren lesen muß. In Berlin vollzieht der Film seine spezifischen Raumbewegungen, gewinnt eine "zweite Materialität", wobei die filmischen Produkte selbst als "erste Materialität" zu definieren wären. Hier vergegenständlicht er sich im Entstehen einer eigenen Architektur, im Verbrauch von Gebäuden und Flächen, im Besetzen und Ausnutzen von Gelände.

Es gibt also ein vielfältiges Eindringen in die Topographie der Stadt. Zunächst tritt der Film als konzentrierte Einheit im unmittelbaren Zentrum Berlins in Erscheinung. In der Friedrichstraße, wo sich die ersten stationären Kinos ansiedeln, entstehen die Ateliers der Frühzeit. Diesem Brennpunkt von Produktion und Reproduktion ordnen sich dann nach und nach die Büros der Filmfirmen, die Verleihgesellschaften, die Agenturen, die Filmcafès, die Klubs, die Treffpunkte der Branche zu. Bis in die dreißiger Jahre hinein bleibt die südliche Friedrichstraße als "Filmviertel " signifikant.

Die Geschlossenheit eines Areals, das alles in sich vereinigt, löste sich jedoch schnell auf. Das stürmisch expandierende Medium durchbrach die zunächst eng gesteckten topographischen Grenzen. "Kinodramen" waren gefragt, die in der Produktionssphäre ganz andere Raumkonzepte und auch Veranstaltungsorte neuen Typs erforderten. Szenische und technische Arrangements waren nun notwendig geworden, die in beengten Etagenateliers mitten im verdichteten Zentrum der Stadt nicht mehr zu leisten waren. Zwischen 1911 und 1914 verlagern alle große Firmen ihre Produktion in ausgedehnte Glasateliers, die an der Peripherie der Stadt gebaut werden.

Vor allem in den zwanziger Jahren verlagert sich der Schwerpunkt der Rezeption von der Friedrichstraße in den "neuen Westen", in die glanzvollen Uraufführungstheater, die die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wie ein Kranz umgeben. Kulminationspunkt jener Raumbewegungen, die die ganze Metropole durchqueren, ist schließlich die Entstehung einer eigenen Urbanität, einer Filmstadt außerhalb der Stadt und dennoch eng mit ihr verbunden. Die große Stadt ist der Fundus von Babelsberg. Von dort bezieht die Cinecitta ihr Personal und ihre Objekte, die Schauspieler, die Massen der Komparsen, das technische Wissen der Architekten und der Mechaniker. Gleichwohl behauptet diese Welt eine Autonomie. Sie baut sich das Provinzielle und Absonderliche selber, verwinkelte Altstädte und malerische Heidelandschaften, statt die entlegenen Orte mit komplizierten Apparaturen aufzusuchen.(6)

Die Provinz, das platte Land, die mittleren und kleinen Städte sind in der Frühgeschichte des Films und auch in der Periode des klassischen Erzählkinos kaum mehr als das Planungsobjekt dieser übermächtigen, ständig perfektionierten Zentrale, figurieren bloß als Abnehmer und Verbraucher. Vor allem der Film bot Kracauer am Ende der zwanziger Jahre reichhaltiges Anschauungsmaterial für das, was er als zentralistische Angestelltenkultur beschrieb. Für ihn ließ sich das Verhältnis von Stadt und Land nur als Monopol- und Herrschaftssystem definieren. 1932 bemerkte er: "Das kleinste Nest hat heute sein Kino und jeder halbwegs gängige Film wird durch tausend Kanäle an die Massen in Stadt und Land herangebracht." (7)

Kracauer bedient sich der gleichen Metapher, mit der Simmel die moderne Kultur der großen Städte charakterisiert hatte, um die elementare Gewalt zu bezeichnen, mit der das "Gängige" über das ganze Land verbreitet wird. Ein weitverzweigtes System von Kanäl en wird zwar vorausgesetzt, aber nur eine Strömungsrichtung ist denkbar.

Auch die regionale, auf kleinteilige Räume bezogene Filmforschung muß diesen Fakten und Evidenzen Rechnung tragen. Die große Stadt ist der beherrschende Ort des Films. Hier wird die Produktion geplant und durchgeführt, von hier aus wird die Verteilung der Kopien organisiert, und selbst für die Rezeption stellt die Metropole die maßgebenden und stilbildenden Räume zur Verfügung. Liest man die vielen Regionalstudien parallel, wird sichtbar, in welch frappierendem Gleichklang die deutschen Provinzstädte in den zwanziger Jahren Tendenzen der Kinoarchitektur nachvollziehen, die durch Berlin vorgegeben waren. Zumindest bis 1945 ist der deutsche Film ein streng zentralistisches Medium. Ihn deshalb nun selber monopolistisch allein einer Metropolenforschung zuzuschlagen, wäre reichlich übertrieben. Aber auch die regional orientierte Filmgeschichtsschreibung muß jene von Kracauer umschriebene Bewegung vom Zentrum zur Peripherie nachvollziehen, muß sich die Paradoxie ihres Verfahrens bewußt machen. Sie sucht nach der regionalen Differenz bei einem Medium, das per se das Besondere negiert und die kleinteiligen, abgeschlossenen Räume sprengt. Der Film zielt auf die großen Absatzmärkte. Er will die Zuschauer in den Städten und auf dem Land erreichen, um seine immensen Produktionskosten einzuspielen, ist so ausgerichtet auf das Umfassende und Uniforme. Die Verabsolutierung des Regionalen ist im Film unmöglich. In seiner Geschichte ist das Besondere stets untrennbar mit dem Allgemeinen verbunden.

Die Überzeugungskraft dieser spezifischen Forschung wird nicht zuletzt davon abhängen, wie sie das Regionale definiert. Ist es das Abseitige, Sekundäre, Entlegene, das passiv und stumm bleibt, die dunkle Provinz, die von den strahlenden Metropolen bespielt und dominiert wird? Oder bedeutet Provinz auch im Film Nähe, Erfahrung des Fremden, Technischen, Modernen, das von außen kommt, im gelebten, alltäglichen Raum? Sind nicht gerade diese Kreuzungspunkte interessant und fesselnd? Vollzieht sich hier nicht erst wirklich Filmgeschichte? Gewinnt sie nicht ebenso faszinierende Gestalt wie in den Metropolen? Problembewußte regionale Filmforschung hat allen Grund, selbstbewußt zu sein. Hier wird eine Ebene der Konkretion und des Eigentlichen gewonnen von oft schlagender paradigmatischer Bedeutung.

Die Funktion und die Bedeutung des Nachkriegskinos ist mir noch nie so deutlich geworden wie durch ein Foto, das in dem Band "Kino in der Stadt. Eine Frankfurter Chronik" enthalten ist.(8)"Besucherandrang am wiederaufgebauten Scala-Kino in der Schäfergasse 1947" - so lautet die Bildunterschrift. Aus einer noch deutlich von der Zerstörung gezeichneten Häuserfront (zerschossene, blinde Fensterhöhlen, rauchgeschwärzte Wände, zerschossene, zersplitterte Fassaden) strahlt das mit frischem Weiß getünchte, neu her gerichtete Kino heraus, wie ein Stück der alten versunkenen Welt und wie ein Versprechen eines neuen Glanzes.

Das Provisorische und das Hektische des "Wiederaufbaus" werden nicht kaschiert. Die leuchtende Farbe reicht nur bis zur Blickgrenze der Passanten. Auf diesen markanten Punkt hin ist eine Menschensäule ausgerichtet, die die Bildgrenzen sprengt. Allein die schnurgerade Linie, die auf das Kino zuläuft, ist freigeräumt. Rechts und links der Menschensäule türmen sich gewaltige Trümmerberge auf. Das Kino - dies ist auf dem Bild zu sehen - ist unverzichtbar, um zu überleben. Die Energien, die von ihm ausgehen, hier sind sie erfaßt. Das Bedürfnis nach Ablenkung und Unterhaltung, die Sehnsucht nach tröstenden Geschichten, die Vergewisserung, daß man zu den Davongekommenen zählt - all dies war schier übermächtig. Endlich wollte man die Bilder sehen, die lange verwehrt waren. Es ist dies ein amerikanischer Film aus dem Jahre 1942, der diesen Ansturm erzeugt: "Die Frau, von der man spricht" von George Stevens mit Spencer Tracy und Katharine Hepburn.

Was eine regionale Recherche auf eine solche Weise sichtbar machen kann, erledigt jede Legitimationsdebatte, ob jene Akzentverlagerung, die das Besondere abtrennt und genau fixiert, ihre Berechtigung habe. Jene ausschließlich zentralistische Perspektive, die einseitige Betonung von Planung, von Monopol- und Herrschaftsanspruch, der Nachweis eines "kulturindustriellen Komplexes" wurde nur allzu flink von einer Medienwissenschaft adaptiert, die im Banne der Kritischen Theorie befangen und stark durch Sozialwissenschaften geprägt war. Selbst noch viele Regionalstudien sind diesen Blickweisen verpflichtet.

In den siebziger Jahren beginnt eine Gegenbewegung wirksam zu werden, der starre Zentralismus löst sich auf und die Vielfalt des vorher Ausgeblendeten gerät ins Blickfeld. Nicht mehr die ideologiekritische Entlarvung des Herrschaftsinteresses, sondern die möglichen Differenzen und Abweichungen werden nun immer stärker beachtet. In diesen Jahren läßt sich in vielen Disziplinen eine Regionalisierung der historischen Forschung nachweisen. In der Literaturwissenschaft werden entsprechende Konzepte vorgelegt, der Alltag der "kleinen Leute" wird zum Forschungsobjekt der Historiker, die Methodik der "oral history" wird breit diskutiert. Analog entwickelt sich ein neuer Regionalismus in der Literatur und im Film, wie etwa der"Kritische Heimatfilm" der siebziger Jahre.

Diese vielfältige Neubewertung von Provinz und Heimat löst auch zahlreiche lokale filmgeschichtliche Initiativen aus. Die Geschichte des bislang Geschichtslosen, die Kinokultur der eigenen Heimatstadt, wird entdeckt. An vielen Orten setzt eine Suchbewegung ein, Quellen werden gesichert, Zeugen werden aufgespürt, Erinnerungen festgehalten. Inzwischen liegt eine Fülle von Dokumentationen und Einzelstudien vor, zahlreiche Orte haben sich als "Filmstädte" ausgewiesen. Das Feld ist schwer zu überblicken, es reicht bis in den grauen Markt der Broschüren und hektographierten Blattsammlungen.

Bei diesem sehr heterogenen Material lassen sich vier historiographische Verfahren unterscheiden:

1.) Eine anekdotisch-erzählerische Vermittlung von regionaler Filmgeschichte. Einzelne Autoren zeichnen ein Gesamtbild der jeweiligen "Filmstadt". Es sind allein ihre Blickweisen und ihre Erzählung, die den Zusammenhang stiften. Meist wird Filmgeschichte an Personen und an Geschichten festgemacht, der plaudernde Cicerone verdrängt den gestrengen Historiographen. Paradigmatisch für solche Verfahren, in denen die Muster des Unterhaltungskinos bloß verlängert werden, ist Hans Borgelt: Stars und Stories. Filmgeschichte(n) aus Berlin. (9) Das Buch soll die ersten 25 Jahre der Berlinale dokumentieren und löst doch alles in Anekdotenseligkeit auf. In einem Datenteil werden alle preisgekrönten Filme getreulich aufgeführt, während der Autor sich von einer chronikalischen Genauigkeit bewußt und radikal entfernt. Borgelt begründet sein Vorgehen mit einer quasi natürlichen Affinität von Erzählverfahren und Gegenstand.

"Wo von Stars die Rede ist, wo Stories versprochen werden, da kann der Film nicht fern sein. Der liebe alte Spielfilm hat sie produziert und zelebriert, die Stars und die Stories." Intime Kenntnis und liebevolle Nähe zum Medium, für den Pressechef der Festspiele ohnehin eine unumgängliche professionelle Voraussetzung, garantieren - so meint der Erzähler - eine absolute Treffsicherheit, gewährleisten ein getreues Abbild der "Filmgeschichte": "Und aus vielen kleinen Stories setzt sich heute manch große Story zusammen. Filmgeschichten machen unversehens Filmgeschichte." (10)

Noch sein kenntnis- und faktenreiches Buch "Film-Stadt Berlin" aus dem Jahre 1979 folgt diesen Grundsätzen. Bei allen Facetten seines Themas, von der Kameraarbeit bis hin zur Synchronisierung von Pornofilmen, wählt er den personalen Zugang, die anekdotenreiche Verzierung." (11)

Auch neuere Untersuchungen folgen noch einem solchen anekdotisch-erzählerischen Schema, auch wenn sie im analytischen Niveau und in der kulturhistorischen Vertiefung Borgelt weit übertreffen. Michael Hanisch (Auf den Spuren der Filmgeschichte: Berliner Schauplätze; 1991) schlüpft in die Rolle des Flaneurs, der durch die Orte und die Zeit wandelt, knüpft die Erinnerung an konkrete Schauplätze der Berliner Filmgeschichte." (12)

Auch Michael Töteberg erzählt "Kino-Geschichte(n)" aus Hamburg" (13) , das typographische Spiel mit dem eingeklammerten Plural ist überhaupt in vielen Film-Stadt-Büchern sehr beliebt. Auch hier ist alles zugespitzt auf das Absonderliche, Skurrile, Dramatische, Amüsante, auf das daher leicht Erzählbare. Die Konsequenzen sind unübersehbar: Der Akt des Erzählens wird gewichtiger als die Recherche und die Orientierung am Objekt. Die getroffenen Entscheidungen bei der Präsentation des Materials sind rein erzähleri sche Entscheidungen. Damit findet eine erzählerische Subjektivierung von Filmgeschichte statt, die dem Autor zur freien Verfügung steht. Als souveräner Erzähler, der vor allem darauf aus ist, sein Publikum zu fesseln, kann er schalten und walten, weglassen und ergänzen. Das Verfahren hat gewiß seine Stärken und seine Fragwürdigkeiten. Es läßt ein farbiges und lebendiges Bild des Vergangenen entstehen, es entschlüsselt Filmgeschichte oft prägnant vom vermeintlich abwegenen Detail her, es wahrt eine überzeugende Nähe zum Material, zur Alltagsgeschichte und zu Alltagserfahrungen. Vor allem Tötebergs Buch offenbart diese Stärken.

Die Strategie der radikalen Subjektivierung hat aber auch ihre Kehrseite. Wo Vollständigkeit nicht gefragt ist, hängt eben alles von der Wahrnehmungsfähigkeit und den Vorlieben des Autors ab. Rätselhafte Lücken entstehen, und über manche Akzentsetzung oder Verteilungen von Darstellungsintensitäten wundert man sich. In Tötebergs oft packend geschriebenem Buch bleibt das Kapitel über Werner Hochbaum, dem doch wahrlich ein gewichtiger Platz in der Hamburger Filmgeschichte gebührt, merkwürdig blaß. Die Nazizeit wird glatt übersprungen, sieht man einmal von einem kurzen Abschnitt über Käutners "Große Freiheit Nr. 7" ab. Waren hier keine dankbaren erzählerischen Angelpunkte zu finden?

2.) Das zweite Verfahren, die C h r o n i k , ist das völlige Gegenteil zur subjektiven Aneignung von Filmgeschichte. Oft voluminöse Bände zeichnen alle Umstände, Ereignisse und Prozesse, die mit dem Film und mit dem Ort auch nur irgendwie zusammenhängen, getreulich auf. Die Chronologie ist dabei die einzig vorgegebene Systematik. Ein herausragendes Exempel dieser Richtung ist: Sylvia Wolf /Ulrich Kurowski: Das Münchner Film- und Kinobuch. Hrsg. v. Eberhard Hauff. (14) Dieses großformatige Werk hält nun wirklich alles fest, vom kleinsten Kino, der ersten Diplomarbeit über Film, von der Münchner Filmphilologie bis hin zu jeder in München angesiedelten und abgedrehten Produktion. Das Buch will eine "Biographie und Dokumentation einer Stadt und ihrer Bezüge zur Filmkunst" sein. (15) In Wirklichkeit ist es eine überwältigende Materialsammlung, die alle Phänomene registriert, nebeneinanderstellt, aber nichts entscheidet, die Wertungen ausweicht und keine Rangfolge der Ereignisse bestimmt. Wichtige Fragen bleiben unb eantwortet: Wie weit schreiben sich die Stadt und ihre Produktionsbedingungen in die Filme ein? Wo beginnt die spezifische Prägung durch die Lokalität? Wo läßt sich das Besondere vom Allgemeinen trennen? Die Distinktion von lokaler und allgemeiner Filmg eschichte ist auch das Problem in dem von Uta Berg-Ganschow und Wolfgang Jacobsen herausgegebenen Band "Film ... Stadt ... Kino ... Berlin". (16)

3.) Eine offene und partikularisierte Geschichtsschreibung ist der dritte und verbreitetste Typus der lokalen Filmforschung. Der Sammelband, der viele Aspekte auffächert, ist die adäquate Form dieses Verfahrens. Nun läßt sich beinahe durchweg beobachten, daß diese Sammelbände das Partikulare und Offene kaschieren wollen. Sie halten sich bisweilen an die biographisc he Recherche, um eine konsistente Lokalgeschichte zu behaupten. Der Band "Lichtspielträume. Kino in Hannover 1896-1991 " (17) enthält ein Porträt des "Hannoveraners" Rudolf Jugert und versammelt am Ende bekannte, in Hannover geborene Schauspieler in alphabetischer Anordnung (von Georg Alexander bis Grethe Weiser). Lokalgeschichtliche Erinnerung mag hier der Anlaß verdienstvoller lexigraphischer Arbeit sein, regionale Filmforschung ist dies nicht.

Viele dieser Bände sind auf ein Geschichtsbild hin ausgerichtet, das ihre Rekonstruktion gar nicht erbringen kann. Wenn schon die lückenlose Kontinuität nicht zu erreichen ist, so soll zumindest die Addition der Einzelaspekte ein geschlossenes Ganzes erge ben. Man hofft, daß ein "Mosaik" sich "zusammenfügt". (18) In der Einleitung zu dem schon erwähnten Band "Lichtspielträume" heißt es: "Die einzelnen Versatzstücke einer lokalen Kinogeschichte nahtlos zusammenzufügen ist mühsam und nicht immer möglich." (19)

Kann die "Nahtlosigkeit" überhaupt ein erstrebenswertes Ziel sein? Jagt man hier nicht einer Schimäre nach, die die Erinnerungsarbeit eher zu verzerren droht? Ein fragwürdiges Konstrukt wird ersehnt, eine Geschichte aus einem Guß, ein überzeugender Gesamtzusammenhang. Lokale Filmgeschichte zeichnet sich aber im Gegenteil durch ihre Brüche und Blindstellen aus. In entscheidenden Perioden der Filmgeschichte bleibt sie wenig ertragreich oder gar gänzlich stumm, an anderen Punkten wiederum erhält sie Prägnanz und Sichtbarkeit. Lokale FiImgeschichte kann nur programmatisch als M o m e n t g e s c h i c h t e geschrieben werden mit dem Mut, sich zum Partikularen und Begrenzten zu bekennen.

Viele Lokalhistoriographen aber wollen auf die Geschlossenheit und auf den großen Zusammenhang nicht verzichten. Die allgemeine Filmgeschichte und die gesicherte Überlieferung müssen einspringen, wenn die spärlichen lokalen Quellen versagen. Überregionale Entwicklungen werden zur Füllmasse, eine geborgte Kontingenz hält die eigentlich lokal gebundenen Studien auf problematische Weise zusammen.

Ein solches Ausweichen in die allgemeine Erzählung läßt sich vielfach nachweisen. Dieter Helmuth Warstat verläßt sich in seinem Buch "Frühes Kino der Kleinstadt" auf die chauvinistisch gefärbten Wertungen des Ufa-Historiographen Oskar Kalbus, weil aus ihnen "Engagement und Sachkenntnis" sprächen." (20) Wiltrud Henningsen glaubt in ihrer Münsteraner Untersuchung die ganze Vor- und Frühgeschichte des Film (unter Anlehnung vor allem an Zglinicki) nacherzählen zu müssen. (21)

Das Gesicherte wird dann vorgeschoben mit der Gefahr, daß die kanonisierte Überlieferung das Spezifische, das eigentlich zu Entdeckende gänzlich überlagert. Der Umgang mit den Texten Siegfried Kracauers in der "Frankfurter Chronik" "Kino in der Stadt" mac ht dies deutlich. Aus seinen reichlich bekannten Reportagen, die sich zudem auf Berlin beziehen, wird ausführlich zitiert. Das erübrigt die Recherche, wie die Aufführungskonventionen in den damaligen Frankfurter Kinos waren. Das Besondere, wie etwa die Filmarbeit von Ella Bergmann-Michel, bleibt demgegenüber ein Randphänomen. (22)

Konkrete Interessen prägen selbstredend Verfahren, Methodik und Präsentation. Die Recherchen folgen einem Auftrag und verstehen sich als Dienstleistung. Michael Töteberg möchte mit seiner Erzählung einer immer nur sich selbst verleugnenden "Filmstadt Ham burg" ein neues Selbstbild offerieren. Sein Buch wirkt wie ein historischer Vorspann, der die aktuellen filmpolitischen Anstrengungen der Hansestadt plausibel machen soll. Die "Frankfurter Chronik" wiederum leistet nur eine flüchtige historische Aufarbei tung. Sie will mehr ein aktuelles Handbuch sein, das Servicefunktion erfüllt. Überschießende lokalpolitische Begeisterung fördert so manche Kuriosität zu Tage. Eine Broschüre "Wiesbaden im Film", die durch den Erfolg der ersten "Wiesbadener Filmnächte" 1986 initiiert wurde, entdeckt 1987, als sei Filmgeschichte auf märchenhafter Weise zum Stillstand gekommen, den noch lebenden Filmpionier Edy Dengel, der stolz in seinem Filmbüro ("Axa-Film") residiert. Unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg hatte er zusammen mit Familienangehörigen und mit Freunden in Wiesbaden Detektivserials gedreht, die sogar wie er erzählt - in Berlin Eindruck machten. Seine letzte Produktion "Der Mann mit der Narbe" datiert aus den fünfziger Jahren. Den Besuchern erklärt er: "Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie mit Ton gearbeitet, ich bin Fachmann für Stummfilm, da macht mir keiner was vor. (23)

4.) Die vierte und bislang wichtigste, ertragreichste Form ist eine lokale Filmgeschichte als Geschichte der Abspielstätten, als K i n o g e s c h i c h t e . Das Besondere und Spezifische ist hier evident und bedarf keiner Legitimation, das Gegenständlich e gibt eine Kontingenz vor. Objekt der Historiographie ist das Kino, sein konkreter Standort, seine Funktion im Gefüge der Stadt, seine Architektur, die ja ein komplexes Zeichensystem konstituiert. Silhouette und Fassade, Beschriftung, Plakatisierung und Illumination sind Teil des Stadtbildes und eine permanente Verheißung, der Innenraum mit all seiner Pracht und seinem Luxus ist mehr als ein bloßer Rahmen der Filmwahrnehmung.

Eine historiographische Recherche, die auf diese Orte ausgerichtet ist, muß vielfach Grenzen überschreiten. Sie vermittelt zwischen Stadt- und Architekturgeschichte, zwischen der Alltags- und der Mentalitätsgeschichte, sie ist dem Stil und Geschmackswandel, den Wahrnehmungskonventionen auf der Spur. Hier liegen wichtige lokale Studien vor, denen ein Modellcharakter zugesprochen werden kann. Ich nenne beispielhaft die Arbeiten von Anne Paech, Bruno Fischli und Petra Schaper. (24) Besonders überzeugend sind diese Einzelstudien immer dann, wenn sie die geforderte Interdisziplinarität riskieren und den Reichtum der Quellen inspiriert ausschöpfen. Anne Paech studierte die Osnabrücker Bauakten, wertet die Erinnerungen von Kinobesitzern und Kinobesuchern aus. Fischlis Band verknüpft die Baugeschichte mit der Programmgeschichte, mit der Programmstruktur, den Angeboten und den Publikumsreaktionen.

Wir brauchen noch mehr solcher präzisen und umfassenden Studien, um ein Gesamttableau der Kinogeschichte zu erhalten. Die großen Industriegebiete, soziale Brennpunkte und Ziel von Einwanderungsbewegungen, sind noch kaum erforscht. Erst wenn solche Lücken geschlossen sind, wird es möglich sein, Regionalgeschichte als Referenzgeschichte zu schreiben, Bezüge und Vergleiche zu erstellen.

Kinogeschichte als Architektur-, Bau- und Programmgeschichte wird auch in Zukunft eines der gewichtigsten Arbeitsfelder regionaler Filmforschung bleiben. In seinem Vorwort zur "Frankfurter Chronik" listet Hilmar Hoffmann andere Themenbereiche auf, bei den en lokale und regionale Spezifik greifbar wird:

"Kino, das war und bleibt das Erlebnis von Menschen in ganz unterschiedlichen Daseinssituationen, mitgeformt von den jeweiligen Erwartungen und Reaktionsweisen; wirksam mitgestaltet auch durch Einflußnahme auf Kinoprogramme, durch Aktivitäten von Besucherorganisationen und Bildungseinrichtungen und zunehmend auch durch selbständige Produktionsversuche im lokalen Bereich. Filmkritik und Filmpublizistik, das Bemühen der am Film interessierten örtlichen Institutionen und Initiativen, aber auch mancherlei anderer filmferne oder hautnahe lokale Faktoren prägen und verändern die filmkulturelle Situation einer Stadt. (25)

Zu ergänzen wären noch, vor allem für die Frühzeit, die Reaktionen der lokalen Obrigkeit, der Polizei, der Kirchen, der Erzieher und der selbsternannten Aufpasser, die die staatlichen Zensurpraktiken noch übertrumpfen wollten. In den Einzelstudien, die diesen Aspekt entfalten (Töteberg, Henningsen) zeigt sich, daß hier unterschiedliche Mentalitäten zum Zuge kommen.

In der deutschen Filmgeschichte zeichnen sich zwei Phasen der Regionalisierung ab, die noch detaillierter erforscht und dokumentiert werden müssen. In den Anfängen der Kinos sind es die versprengten Pioniere, die reisenden Vorführer und Kinobesitzer, die die sensationelle Erfindung bis in die kleinsten Städte und Dörfer tragen. Wie die regionalen Studien zeigen, werden die Kinobesitzer vielfach selber zu Produzenten, nutzen die Reproduktionsapparaturen zu eigenen Aufnahmen. Auch sie mischen das Exotische mit dem Vertrauten, nicht anders als die Filmvorführer in den großen Städten. Damit vermitteln sie die Ferne, die fremde Technik, die aus den Metropolen kommt, mit Nähe und unmittelbarer Anschauung. Sie werden temporär zu lokalen Chronisten, machen die Wahrzeichen der Stadt und ihre Feste, ihre Umzüge zum kinematographischen Bild. Damit eignen sie sich die neue Technologie an und setzen sie zugleich beim Publikum durch.

Eine zweite, erzwungene Regionalisierung vollzieht sich nach 1945, nach der Zerschlagung des Faschismus und der Entflechtung der Ufa. Nach dem Verlust des Zentrums, der alles bestimmenden Metropole Berlins, zerfasert die Filmproduktion, findet an vielen Orten statt. Die unterschiedliche Filmpolitik der Alliierten fördert noch die Partikularisierung. Hier fehlt es sowohl an Detailstudien als auch an vergleichenden Analysen.

Die medienpolitische Parteilichkeit vieler Regionalstudien bedeutet vielfach eine faktische Schwäche. Man will einem Medium, das vom Verschwinden bedroht ist, durch Erinnerungsarbeit beistehen. Kinoenthusiasmus und Filmbegeisterung, so sympathisch sie auch sein mögen, überhöhen und isolieren ihren Gegenstand, zerreißen ein intermediales Beziehungsgefüge, das gerade in der Lokalgeschichte prägnant wirksam wird. Eine größere intermediale Souveränität ist dringend vonnöten. Die Studie über Ostfriesland, die den Zusammenhang mit der Fotografie und den Illusionskünsten des 19. Jahrhunderts wahrt, ist da eine rühmliche Ausnahme. (26)

Das lokale Vereinswesen, die Alltagskultur und die Angebote der Theater müssen in einer regionalen Historiographie stärker berücksichtigt werden. Ein fleißiges Sammeln der Quellen genügt freilich nicht. Man muß das Material auch durchdringen und zum Sprechen bringen.

Ganz zum Schluß sei noch auf ein Defizit verwiesen, das besonders manifest ist. Auf der B e d e u t u n g s e b e n e hat regionale Filmforschung überhaupt noch nicht begonnen. Eine lkonographie der Orte und der Landschaften hat noch niemand in Angriff genommen. Noch keiner ist jenen Prozessen nachgegangen, in denen das Konkrete entkonkretisiert wird, in denen sich die identifizierbaren Lokalitäten, die Küste, die Heide, das Gebirge, in mythische Räume verwandeln. An Perspektiven und Aufgaben mangelt es der regionalen Filmforschung nicht.



aus:

Steffen, Joachim/ Thiele, Jens/ Poch, Bernd (Hg.):
"SPURENSUCHE. Film und Kino in der Region. Dokumentation der 1. Expertentagung zu Fragen regionaler Filmforschung und Kinokultur in Oldenburg"; Oldenburg 1993, S. 19-31.

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ANMERKUNGEN

(1) Mit dieser Umschreibung warben die Gebrüder Skladanowsky für ihr "Bioscop". Abgedruckt in: Friedrich von Zglinicki: "Der Weg des Films. Die Geschichte der Kinematographie und ihre Vorläufer"; Berlin 1956;S.245.

(2) Georg Lukàcs: "Gedanken zu einer Ästhetik des Kinos". In: Frankfurter Zeitung v. 10.9.1913. Zitiert nach: Güttinger, Fritz (Hrsg.): "Kein Tag ohne Kino. Schriftsteller über den Stummfilm"; Frankfurt/Main 1984; S. 198.

(3) Emilie Altenloh: "Zur Soziologie des Kinos. Die Kino-Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher"; Jena 1914; S. 94

(4) Georg Simmel: "Die Großstädte und das Geistesleben". In: G.S.: "Das Individiuum und die Freiheit. Essays"; Berlin 1984; S. 203.

(5) Rudolf Leonhardt: "Bemerkungen zur Ästhetik und Soziologie des Films". In: Güttinger (Anm.2); S. 403.

(6) Diese Prozesse der Simulation hat Siegfried Kracauer zum ersten Mal analysiert. In: "Kaliko-Welt. Die Ufa-Stadt zu Neubabelsberg". In: Frankfurter Zeitung v. 28.1.1927.

(7) Siegfried Kracauer: "Über die Aufgabe des Filmkritikers". In Frankfurter Zeitung v. 23.5.1932. Zit. nach "S.K.: Kino. Essays, Studien, Glossen zum Film". Hrsg. v. Karsten Witte; Frankfurt/Main 1974; S. 10.

(8) Herbert Stettner (Hrsg.): "Kino in der Stadt. Eine Frankfurter Chronik"; Frankfurt/Main 1984; S. 33

(9) Hans Borgelt: "Stars und Stories. Filmgeschichte(n) aus Berlin"; München 1975

(10) Ebd. ; S. 5.

(11) Hans Borgelt: "Film-Stadt Berlin"; Berlin

(12) Michael Hanisch: "Auf den Spuren der Filmgeschichte: Berliner Schauplätze"; Berlin 1991

(13) Michael Töteberg: "Filmstadt Hamburg. Von Emil Jannings bis Wim Wenders Kino-Geschichte(n) einer Großstadt"; Hamburg 1990.

(14) Sylvia Wolf/Ulrich Kurowski: "Das Münchner Film- und Kinobuch". Hrsg. v. Eberhard Hauff; Ebersberg 1988.

(15) Ebd. S. 7.

(16) Uta Berg-Ganschow/Wolfgang Jacobsen (Hrsg.): "Film ... Stadt ... Kino ... Berlin"; Berlin 1987.

(17) Rolf Aurich/Susanne Fuhrmann/Pamela Müller (Hrsg.): "Lichtspielträume. Kino in Hannover 1896- 1991 "; Hannover 1991

(18) Ute Wiegand (Hrsg.): "Düsseldorf kinematographisch. Beiträge zu einer Filmgeschichte"; Düsseldorf 1982; Vorwort.

(19) Lichtspielträume" (Anm. 17); S. 9.

(20) Dieter Helmuth Warstat:"Frühes Kino der Kleinstadt"; Berlin 1982; S. 116.

(21) Wiltrud Henningsen: "Die Entstehung des Kinos-in Münster. Versuch einer Historiographie"; Münster 1990.

(22) "Kino in der Stadt"(Anm. 8); S. 19-28.

(23) Harald Schleicher/Uwe Schriefer: "Zur Geschichte der Filmstadt Wiesbaden. Wiesbaden im Film. Wiesbadener Filmnächte 1986"; Wiesbaden 1987; S. 15.

(24) Anne Paech: "Kino zwischen Stadt und Land. Geschichte des Kinos in der Provinz: Osnabrück"; Marburg 1985

Bruno Fischli (Hrsg.): "Vom Sehen im Dunkeln. Kinogeschichten einer Stadt"; Köln 1990.

Petra Schaper: "Kinos in Lübeck. Die Geschichte der Lübecker Lichtspieltheater und ihrer unmittelbaren Vorläufer 1896 bis heute"; Lübeck 1987

(25) Vorwort von Hilmar Hoffmann in: "Kino in der Stadt" (Anm. 8); S. 3.

(26) Detlef Hoffmann/Jens Thiele (Hrsg.): "Lichtbilder-Lichtspiele. Anfänge der Fotografie und des Kinos in Ostfriesland"; Marburg 1989