Über Jean Luc Godard
Die Filmgruppe des Alhambra zeigt in ihrem Programm vier Filme von Jean Luc Godard. Im November sind das die Filme "Geschichte der Nana S." und "Die Verachtung"; im Januar folgen dann noch „Eine verheiratete Frau" und "Weekend".Damit soll auf einen Regisseur aufmerksam gemacht werden, der fast gänzlich aus der Öffentlichkeit verschwunden ist und dessen Werk betrachtet wird,als sei es bereits abgeschlossen, obwohl Jean Luc Godard gerade erst fünfzig Jahre alt ist. Der Verlust an Öffentlichkeit für diesen Regisseur hat mehrere Gründe, die deutlich werden, wenn man die künstlerische und politische Biographie des Filmemachers nachzeichnet. Jean Luc Godard,1930 in Paris geboren, gründet bereits 1950 mit Jacques Rivette und Eric Rohmer die Filmzeitschrift"La gazette du Cinema", von der aber nur fünf Nummern erscheinen.Ab 1956 arbeitet er bei den "Cahiers du Cinéma".1959 hört er mit dem Filmjournalismus auf, um sich ganz der Arbeit an seinem ersten Spielfilm "A bout de souffle (Außer Atem)" zu widmen.Der Film, photographiert von Raoul Coutard, mit dem er noch oft zusammenarbeiten wird, macht ihn mit einem Schlag bekannt,und läßt ihn zu einer der wichtigsten Figuren der Nouvelle Vague werden.1 Schon in diesem ersten Film beginnt er,die herkömmlichen Mittel des Films zu verändern. Auffallend in "Außer Atem" waren besonders die Schnittechnik, die Kameraeinstellungen und die Kamerabewegungen. Diese Neuerungen sind uns mittlerweile so geläufig,daß es schwerfällt, ihren für damalige Verhältnisse überraschenden Charakter nachzuvollziehen. Seitdem hat Godard durch seine Filme nicht nur das technische Repertoire des Kinos bereichert, sondern hat immer wieder die Reflexion über das Medium zum Thema seiner Filme gemacht. Darstellung und Nutzung von Kinomythen, Erneuerung der Filmtechnik, Gebrauch neuer Sichtmuster sind ebenso Punkte, die ihn interessieren, wie das Aufzeigen und die Analyse von Manipulationstechniken der Massenmedien und deren Einfluß auf das Zusammenleben der Menschen.
Hatte Godard mit "Außer Atem" durch den Einsatz neuer künstlerischer Mittel Anstoß erregt, so brachte ihm sein zweiter Film "Le petit soldat (Der kleine Soldat)" (1960) politischen Ärger. Godards Sicht des

1)Nouvelle Vague (Neue Welle) : Der wichtigste Anstoß für die Bewegung in Frankreich in den ausgehenden 50er Jahren kam von den Kritikern der "Cahiers du Cinema",die selbst Regisseure werden wollten, darunter vor allem Truffaut, Rivette, Godard, Chabrol. Als Kritiker hatten sie sich gegen den gesichtslosen ''gut gemachten'' Film gewandt und statt dessen für einen persönlichen Stil plädiert. Vorbilder dafür waren die Regisseure Alfred Hitchcock, Jean Renoir, Roberto Rossellini, Robert Bresson. Die Nouvelle Vague war kaum eine einheitliche ästhetische Bewegung. Ihr einziger gemeinsamer Nenner blieb der "persönliche“,unperfektionierte Stil, für den eine mobile, oft handgehaltene Kamera charakteristisch war. Der erste Film,der auf diese Weise Aufsehen erregte war Chabrols 'Le beau Serge“ (1959). der Durchbruch gelang mit Truffauts „Sie küßten und sie schlugen ihn“ und Resnais´ „Hiroshima mon amour“ (beide 1959).
Algerien -Problems war nicht die der Herrschenden, und der Film blieb bis 1963 verboten.
Die Jahre 1959 bis 1968 sind für den Regisseur sehr fruchtbar; in also neun Jahren macht er siebzehn Filme,die zwar kommerziell nicht gerade erfolgreich sind, ihn aber zu einem der bedeutendsten Autoren des modernen Kinos machen.Godard kann in diesen Jahren unaufhörlich arbeiten, trotz mancher Schwierigkeiten mit Produzenten oder auch der Zensur.
Seine Reflexionen über die Massenmedien und deren gesellschaftliche Rolle führen ihn zu immer größerem sozialen und poltischen Engagement, was deutlich wird in dem Film "Masculin   Feminin" (1965/66). Verbunden damit ist einen intensive Suche nach Möglichkeiten einer neuen filmischen Form.
Diese findet Ausdruck in "La Chinoise (Die Chinesin) (1967), einem Film über die marxistisch leninistischen Gruppierungen an der Universität,der die Ereignisse des Mai 1968 bereits andeutet. Während des Mai 1968 beteiligt sich Godard an den "Etats Généraux du Cinéma" und kommentiert die Ereignisse in den Cinetracts, kurzen wochenschauähnlichen Filmen.
Nach dem Mai 1968 bricht Godard mit den herkömmlichen Produktionsformen und mit dem konventionellen Kinofilm völlig. Er sucht die Zusammenarbeit mit den politischen Gruppen,will nicht mehr allein als Regisseur für einen Film verantwortlich sein, will politische Filme und Filme poltisch machen.Zusammen mit Jean Pierre Gorin und einigen anderen gründet er die "Groupe Dziga Vertov", die bis 1972 für seine Filme zeichnet. Die Filme dieser Zeit werden unter dem Stichwort "unsichtbare Filme" zusammengefaßt,
denn sie kommen entweder gar nicht oder nur verstümmelt zur Aufführung. Titel aus dieser Zeit sind: British sounds (1969), Pravda(1969), Lotte in Italia (1969/70), Vladimir et Rosa (1970).
Seit 1972 arbeitet Godard mit Video. Ein Film, der dabei entsteht, „Numiro Deux“ (1975), wird auf Kinofilm umkopiert und auch gezeigt. Die weiteren Produktionen werden entweder im Fernsehen oder aber gar nicht gezeigt. Ende der siebziger Jahre dreht Godard wieder einen Kinofilm: "Slow motion".
Man kann sicher darüber diskutieren, ob der Weg Godards der einzig mögliche oder auch nur ein akzeptabler Weg zur Erreichung seiner künstlerischen und politischen Ziele ist. Unverkennbar ist jedoch, daß Godard sich immer von dem Satz leiten ließ,den er in "Le petit soldat“ in kritischer Absicht einmal zitiert: "Film,das ist Wahrheit, 24 mal in der Sekunde."