Lichtspielhaus Schramberg
der Lichtspielbetriebs-Gesellschaft m. b. H. Laupheim

Direktion: Max Friedland
Festschrift zur Eröffnung
25. Oktober 1928

Entwurf und Oberbauleitung: Paul Darius, Architekt, Stuttgart
Technischer Mitarbeiter: Karl Braun, Architekt. Stuttgart
Oertliche Bauleitung : Paul Gais, Architekt. Schramberg


Einführungs-Programm:

26. Okt. bis 29. Okt.: “Robert und Bertram"
28. Okt.-mittags 11-12 Uhr: Morgenfeier: “Das Blumenwunder”

30. Okt. bis 1. Nov : “Ich hat' einen Kameraden"

(In Rücksicht auf Allerheiligen)
2. Nov. bis 5. Nov: “Alpenglühen”
6. Nov. bis 8. Nov.: “Die Heilige und ihr Narr"
Ab 29. Oktober : “Das Blumenwunder” als Schülervorstellung

Beachten Sie bitte beiliegenden Auszug der Filmfolge 1928/29

Jedes Programm hat die neueste Wochenschau und entsprechendes Beiprogramrn.

Dem vorzüglich geleiteten Theater-Orchester steht ein J. Bach-Flügel und ein neuestes Schiedmayer Kino-Orchester- Harmonium zur Verfügung, sodaß Film und Musikbegleitung allen Ansprüchen eines modernen Lichtspiel-Theater-Betriebs gerecht werden
DES FILMES WERDEN
Im gegenwärtigen Zeitalter des fast unglaublichen Fortschrittes auf den Gebieten der Technik und der Wissenschaft ist das moderne Lichtspiel im beispiellosen Rekord zur anerkannten Weltmacht emporgestiegen.
Mitte August dieses Jahres bot der erste Internationale Kongreß des Verbandes der Kinobesitzer den Höhepunkt der grandiosen Weltberühmtheit. Elf Nationen des Kontinents krönten den Film als alle umschlingendes Völkerband und Träger des Friedens, der Kultur und des Fortschrittes im Dienste der Menschheit.
Um seinen gigantischen Aufstieg recht zu verstehen, dürfte ein kurzer historischer Abriß nach einer Arbeit Gustav Ströhmfelds über das Werden der Lichtspiele allen Freunden und Gönnern willkommen sein.
Weit in ferne Jahrhunderte müssen wir zurückstreifen, um ihre Wiege zu finden. Die alten Aegypter erkannten im zweiten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung die Unzulänglichkeit des menschlichen Sehvermögens, die optische Täuschung. Dieselbe besteht bekanntlich darin, schnell am Auge vorbeiziehende Einzelbilder als geschlossene Gesamtbewegung eines Objektes zu erkennen. Die Aegypter demonstrierten das auf der Drehscheibe mit farbigem Sektor. Wurde dann die Scheibe schnell um ihre eigene Achse gedreht, so erschien nicht nur der Sektor, sondern die ganze Scheibe in dessen Farbe. Mit der seit 1849 in Aufschwung genommenen Photographie boten sich, nachdem es über anderthalb Jahrtausend bei dieser harmlosen Spielerei blieb, ungeahnte Möglichkeiten zur weiteren Vervollkommnung. Franzosen, Oesterreicher und Amerikaner erzielten von 1765 bis 1898 wesentliche Verbesserungen der Kinomatographie.
Da trat neben dem Deutschen Ottomar Anschütz der Mechaniker Oskar Messter auf. Er führte 1896 in Berlin Bilder vor, die 4 : 5 Meter groß waren. -Schnell führten die Schausteller diese Erfindung auf den Messen und Jahrmärkten ein und verhalfen ihr zur wachsenden Volkstümlichkeit. Mit erstaunlicher Schnelligkeit hat sich dann aus der Kinomatographie vom bescheidenen Jahrmarktszeltkino mit den verschwommenen. flimmernden Bildern die heutige Kunstgattung der modernen Lichtspiele gebildet, die mit ihren imposanten Lichtspiel-Palästen der Großstädte das Festspielhaus aller Volkskreise geworden ist.
Eigens konstruierte photographische Aufnahmeapparate entwerfen auf dem aufrollenden Filmband in kurzen Abständen Bilder von den sich vor ihnen bewegenden Objekten. Nach erfolgter Entwicklung und Kopierung wird das Filmband im Projektionsapparat mit entsprechender Vergrößerung und Belichtung vor den Augen der Zuschauer wieder abgerollt. Der Film lebt und wirkt! So ist das einfache Filmband berufen, alle zur Darstellung gewordenen Variationen des menschlichen Geistes in Poesie und Prosa in sich aufzunehmen, um dann auf der Leinwand als großer Lehrmeister der Menschheit zu dienen. Deshalb sollten die Lehrer und Erzieher mithelfen, daß sich das Wort des Berliner Oberbürgermeisters auf dem eingangs erwähnten Kongreß bewahrheitet: "Der Film ist berufen, zu bilden und zu belehren!"


Lichtspielbetriebs G. m. b. H.

DIE WELTMACHT

Was will das Kino? - Wird es nützen? Wird es schaden? 
Kann es auch Gutes in den Herzen wecken? 
Macht es nur alles Schlechte in uns frei? 
Kann Kino wirklich ernste Kunst bedeuten? 
Ist es nur Sensation. nur Spielerei? 
Und während mancher weise Mann 
Dem Kintopp schon die Totenrede hält. 
Da lebt und lacht der Film ! - Und schon beginnt 
Sein kühner Siegeszug durch alle Welt. 
Er wird das Bilderbuch der großen Kinder. 
Er ist nicht starr an Ort und Zeit gebunden. 
Mit ihm durchsaust du alle Länder dieser Erde 
Und ihre Schönheit in ein paar Sekunden. 
Die weiße Schneepracht mächtiger Bergesgipfel 
Trinkst du mit Augen nimmermüden. 
Mit Blumen, wie die Heimat sie nicht kennt 
Und hell'rer Sonne grüßt der heiße Süden. 
Und während sich die Theoretiker 
Noch immer ihre Sorge machen. 
Bezwingt der Film schon längst sein Publikum 
Und läßt es träumen, weinen, lachen. 
Das Volk strömt ihm in breiter Woge zu. 
Der “Kleine Mann", der fleißig regt die Hand, 
Das Mädel, das den ganzen Tag gewerkelt, 
Sie alle führt der Film in Wunderland. 
Das Märchen selber wird lebendig 
Wie einst in sel'ger Kinderzeit 
Und Traum und Phantasie und buntes Spiel 
Sie triumphieren über graue Wirklichkeit. 
Und Herzen. die der Alltag wie ein eisern Band umschnürt 
Und die sich selber tot und öde wähnen. 
Der ernste Film. er läßt sie schneller klopfen 
Und aller Kummer löst sich sanft in Tränen. 
Musik ertönt! - Ein Lustspiel fliegt vorüber. 
Und manch Gesicht. schon müd vom Weinen. 
Das lehrt der lustige Film jetzt wieder lachen 
Und läßt es plötzlich froh und jung erscheinen. 
Der Film ist eine Macht! - Wir woll'n sie nützen ! 
Wir geben Euch der heit'ren Stunde Gunst. 
Wir schenken Euch des Märchens Poesie, 
Wir geben Euch der großen Mimen Kunst. 
Hier wollen Edles wir und Schönes bringen. ´
Und meiden, was wie Mehltau auf die Seele fällt.- 
Dann folgt dem Film auch der Kulturmensch willig 
Auf seinem Siegeszug durch alle Welt.
Lise Lippmann, Königsberg i. Preußen
SCHRAMBERG,
die reizvolle Fünftäler-Stadt irn Schiltachtal und weltbekannte Uhrenzentrale, hat ein neues Lichtspieltheater erhalten. Am 25.Oktober 1928 wird das Lichtspieltheater der Lichtspiel­Betriebsgesellschaft m. b. H. Laupheim mit einer Festvorstellung eröffnet.
Schon lange machte sich in Schramberg das Bedürfnis nach einem modernen Lichtspieltheater geltend. Der Tag, an dem die Lichtspielbetriebsgesellschaft Laupheim den Entschluß faßte, in Schramberg ein neuzeitliches Lichtspieltheater zu errichten, darf für die Stadt Schramberg ein besonders glücklicher bezeichnet werden.
Die Aufgaben, die sich die Lichtspielbetriebsgesellschaft gestellt hat, sind große und bedeuten für die heutige, materialistische Zeit gewiß eine seltene und nachahmenswerte Ausnahme, handelt es sich in diesem Fall nicht darum, Schramberg mit einem neuen "Kino" zu beglücken, sondern die Gesellschaft schenkte der Stadt eine Unterhaltungsstätte, welche in kultureller Hinsicht für die Stadt von Bedeutung sein wird. Suchen doch täglich hunderte von Besuchern nach des Tages Last und Arbeit Erholung und Unterhaltung in diesem neuen Lichtspielhause.
Ein protziger Palast wurde allerdings nicht erstellt, schlicht, aber echt in seinem Aeußern, sowohl als auch in seinem Innern, entspricht dieses Theater unserem Zeitgeist und süddeutschem Empfinden.
Das Handwerk kommt wieder zu seinem Recht, und was das Schramberger Handwerk an diesem Bau geleistet hat, muß bei jedem Achtung und Bewunderung erwachen, der die handwerklich so wertvollen Arbeiten gesehen hat. Denn gerade bei der Einfachheit der Formen tritt die handwerkliche Meisterung der einzelnen Arbeiten hervor. Man sieht es den einzelnen Arbeiten an, daß hier der Meister mit Liebe geschafft hat - eine erfreuliche Feststellung, die heute leider zu den Seltenheiten gehört.
Ganz besonders hervorgehoben werden muß auch die tatkräftige Unterstützung der Stadtverwaltung Schramberg, vor allem die Förderung, die Herr Oberbürgermeister R i t t e r und Herr Stadtbaurat Schwarz vom Hochbauamt dem Bau zuteil werden ließen.
In Herrn Max Friedland repräsentiert die Lichtspiel-Betriebsgesellschaft Laupheim eine Persönlichkeit, deren Spiegelbild das Theater selber ist, schlicht, aber echt. Seiner unermüdlichen Tätigkeit und seiner hohen Kultur ist es zu verdanken, daß das Lichtspieltheater in seiner jetzigen Form dasteht. Als sein Architekt danke ich ihm an dieser Stelle für die schöne Aufgabe, die zu erfüllen er meine Mitarbeiter, Dipl.-Ing. Gais, Schramberg, Architekt Braun, Stuttgart und mich berufen hat.
Die Durchführung des Baues bot verschiedene Schwierigkeiten, fließt doch der Göttelbach schräg durch den Vorderteil des Theaters. Eine umfangreiche Konstruktion war nötig, um die Fundamente des vorderen Bauteils abzufangen.
In seiner äußeren Gestaltung wurde die reine Zweckform gewählt.
Der jetzt noch halbfertig wirkende Bauteil der Vorderfront stellt den ersten Bauabschnitt dar, erst durch die Bebauung des Nachbargrundstücks erhält der ganze Baublock seine städtebaulich richtige Wirkung und die jetzt an der rechten Vorderfront abgeschnitten wirkende Terrasse wird beide Bauteile zu einer Einheit verbinden.
Im Innern ist ebenfalls größte Ruhe und Sachlichkeit gewahrt worden, alles ist auf Zweckmäßigkeit eingestellt. Der etwa sieben Meter hohe Zuschauerraum ist mit einer modernen Heizungs- und Belüftungsanlage versehen. die eine ständig frische Luft gewährleistet.
Der Rang hat ein eigenes Foyer. Für die Sicherheit der Besucher ist die größtmöglichste Vorsorge getroffen worden. Mehrere Notausgangstüren führen vom Saal unmittelbar ins Freie. Die Vorführkabine ist absolut feuersicher gebaut und steht in keinerlei Verbindung mit dem Theaterraum. Auf die Bequemlichkeit der Bestuhlung wurde ganz besonderer Wert gelegt. Für den Theaterstuhl wurde ein besonderes Modell von der Firma Bock &- Feil in Marbach a.N. angefertigt. Die Logen haben elegante, gepolsterte Sessel. Die Beleuchtung im Saal ist indirekt. Zwei Projektionsapparate modernster Konstruktion gewährleisten ein absolut ruhiges einwandfreies Bild. Das Orchester sitzt halbverdeckt unter der Bühne.
Möge diese neue Bildungsstätte ihrer hohen Mission, dem Interesse der Gesellschaft und allen Freunden der Lichtspielkunst, vollkommene Rechnung tragen.

Stuttgart
PAUL DARIUS, Architekt