Filmprojektionen in Schramberg 1897- 1910
© Bernd Poch 1999, FORUM Mediengeschichte. Auch auszugsweises Zitieren nur mit korrekter Quellenangabe.

Die Geschichte der Filmprojektionen in der Schwarzwaldstadt Schramberg während der Anfangsjahre der Kinematographie  weist kaum Auffälligkeiten im Vergleich zu anderen Städten ähnlicher Größe auf. Überraschend früh allerdings kam das erste Wanderkino in diesen etwas abgelegenen Teil von Württemberg. Schon am 9.1.1897 zeigte dieses Kino seine Filme im Vereinshause zu Schramberg. Dieser erste Besuch eines Kinopioniers stieß auf Zurückhaltung seitens der Schramberger, sodass der Schramberger Anzeiger nicht umhin konnte, zum Besuch dieser Neuerung aufzurufen: "Wir können Jedem, der die interessante Erfindung noch nicht gesehen hat, nur angelegentlich einen Besuch der heute abend im Vereinshaus stattfindenden Schlußvorstellungen empfehlen." Seltsam in diesem Zusammenhang ist, dass mit Datum 9. Januar 1897 , also dem ersten Vorführungstag, in der Schaustellerzeitschrift DER KOMET folgende Anzeige erschien: "Kinematograph ! 16 Stück sehr gut erhaltene Films, Mk. 50 per Stück verkauft Schmehl, z. Vereinshaus, Schramberg i. Württ.".

Dann trat in Schramberg die auch anderenorts zu beobachtende Pause im Besuch der Wanderkinos ein. Die erste Welle der Wanderkinos, die noch ganz auf den Novitätscharakter des Filmes bauen konnte, war vorüber, nun wurden um 1900 Filme vorgeführt, die Sensationen, Zeitgeschehen oder Belustigungen zeigten. Direktor Fernando mit seinem Bioskop kam im November 1900 schon mit eigener Stromerzeugung durch einen Benzinmotor zum Platz neben dem neuen Schulhaus und zeigte unter anderem: "Verbrennung deutscher Missionare in China durch die Boxer", hatte aber natürlich auch Harmloseres im Repertoire: "Man soll und muß lachen". Die Blütezeit des Wanderkinos aber begann in Schramberg erst ab 1903. Von nun an kamen des Öfteren Wanderkinos, um im "Lamm" oder im Bären- und Adlersaal ihre Filme zu zeigen.

Auch hier im Schwarzwald gab es eine Ortsgruppe des Deutschen Flotten- Vereines, der sich häufiger zu Werbezwecken des Kinematographen bediente. Der ansonsten mit Argwohn betrachtete Kinematograph, der als Verderber der Jugend galt, wurde zu diesen Anlässen zu einem Werkzeug des unstrittig lauteren Zweckes: "Einmal ist jedes Bildungsmittel, das die geistige Begriffssphäre der Jugend und des Volkes zu erweitern geeignet ist, durchaus zu begrüßen. Auch der Binnenländer soll wissen, was in der weiten Welt draußen vor sich geht, soll die Bestrebungen kennen lernen, die darauf abzielen, dem deutschen Vaterlande den ihm gebührenden Platz unter den großen Weltmächten zu verschaffen und zu bewahren. Vorbei sind die Zeiten, wo es für das Volk als genügend angesehen wurde, wenn es nur das ihm zunächst liegende verstand, aber von den Bewegungen in der Welt nichts wußte." (Schramberger Anzeiger vom 10.5.1904). 600 Schüler folgten den Aufführungen des Flottenvereines, und als man nach den Filmvorführungen Bilanz zog, stellte man fest, dass der Verein durch die 36 neu gewonnenen Mitglieder nun 300 Köpfe zählte.

Mitten in der Zeit, als ein Wanderkino nach dem anderen nach Schramberg kam und sich - außer in den Metropolen -  aufgrund des fehlenden Verleihwesens für Filme noch kein sesshafter Kinobetrieb etablieren konnte, fing ein Schramberger Bürger an, gelegentlich Filme zu zeigen. Reinhard Moosmann, als Elektroinstallateur und Inhaber eines Elektrowarengeschäftes mit der Technik vertraut, führte am 16. Dezember 1906 im Adlersaal mit einem "Apparat neuesten Modells" Filmvorführungen durch. U.a. hatte er den Film "Der Hauptmann von Köpenick" im Programm. Dieser Film war eine ganz besondere Attraktion, denn die bekannte Geschichte des Hauptmanns von Köpenick, Vorlage für diesen Film und für Carl Zuckmayers Bühnenstück, hatte sich erst vor genau zwei Monaten, am 16. Oktober 1906 ereignet. Moosmann gab noch mehrere Male Vorstellungen, ob er jedes Mal durch Annoncen auf seine Aktivitäten aufmerksam gemacht hat, kann nicht nachvollzogen werden. Sicher allerdings ist, dass er auch außerhalb Schrambergs tätig geworden ist, eine Annonce für Lauterbach belegt dies. Dass Moosmann über mehrere Jahre Filmvorführungen durchgeführt hat, steht außer Zweifel. Sowohl 1907 als auch 1908 lassen sich Annoncen finden.

Selbst der Biograph von Thomas Bläser, nach eigenen Aussagen "erstes und ältestes Geschäft d. Branche in Deutschland", fand seinen Weg nach Schramberg. "Ich war der erste, welcher den Kinematograph in Deutschland einführte, die ersten deutschen Aufnahmen herstellte und in den Handel brachte und die ersten flimmerfreien Apparate nach meinen Angaben und Zeichnungen fabrizieren ließ : daher ist ist es bis jetzt auch noch keiner Firma gelungen, meine Vorführungen auch nur annähernd zu erreichen.", gab er in seiner Annonce vom 7. Mai 1907 kund. Für den "Schramberger Anzeiger" war vorrangig das Äußere des Wanderkinos bemerkenswert: "Eine Photographie dieses Etablissements bestätigt, daß das Etablissement ein wirklicher Kunstbau ist und allein das Aeußere eine Sehenswürdigkeit, namentlich abends bei feenhafter Beleuchtung bildet. Die ganze Fassade ist als ein griechischer Tempelbau gedacht, welcher von 12 korintischen Säulen getragen wird. Aber nicht etwa flach gemalt ist das Ganze, sondern absolut plastisch in Zink ausgeführt. Den Mittelbau ziert eine Quadrille (Viergespann) mit der Elektra im Siegeswagen, ebenfalls in Zink gedrückt und galvanisiert. Die Gruppe ist ein wahres Meisterwerk und besitzt einen Kunstwert, denn kein Geringerer hat die Gruppe modelliert als Meister Weltring in Karlsruhe, der Schöpfer der Nymphengruppe im dortigen Schloßgarten.".

Die Eröffnung des ersten ortsfesten Kinos beendete auch in Schramberg die Tätigkeit der Wanderkinos. Filmsehen wurde zum Alltagsvergnügen, das Programm der Kinos, das anfangs aus mehreren kurzen Filmen bestand,  wechselte wöchentlich. Als der "Weltkinograph Imperator" von Karl Gratl im Bärensaale am 1. Mai 1910 seinen regelmäßigen Betrieb aufnahm, blieb der Publikumszuspruch offenbar hinter den gehegten Erwartungen zurück. Daraufhin war "Schwarzwälder Tagblatt" vom 14.5.1910 zu lesen: " Bemerkenswert ist die schnelle Aufeinanderfolge der Bilderserien, wobei ihre hervorragende Schärfe und Klarheit, wie man sie bei wandernden Geschäften kaum antrifft, besonders hervorzuheben sind.".

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