Abdruck aus:

Optische Erfindungen von der Lochkamera zum Wanderkino
mit Beiträgen zur Kinogeschichte in Schwaben.

Schriftenreihe der Museen des Bezirks Schwaben,
herausgegeben von Hans Frei, Band 11.

© Museumsdirektion des Bezirkes Schwaben, Gessertshausen 1995.
Zitate bitte mit genauer Quellenangabe "Forschungsstelle Mediengeschichte im internet, Universität Oldenburg". Übernahme von Grafiken nur nach vorheriger Absprache

Wir danken der Museumsdirektion des Bezirkes Schwaben für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung der Beiträge.

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Ottmar Seuffert

Zur Kinogeschichte in Donauwörth

Das Kinematographentheater des Gastwirts Wendelin Schmidbaur 1911-1920

Im Mai 1906 kaufte der 1852 in Mertingen geborene Bierbrauer Wendelin Schmidbaur von der Witwe Theresia Fischer die Gastwirtschaft Zum Weißen Löwen in Donauwörth, die in der Oberen Reichsstraße 41 unterhalb der Stadtpfarrkirche lag.1 Nachdem sein Gastbaus im November 1911 an das Elektrizitätswerk der Firma Ludwig Auer angeschlossen worden war,2 ließ Schmidbaur das große, zu ebener Erde gelegene Nebenzimmer des Gasthofes Zum Weißen Löwen zu einem Lichtspielsaal umbauen. Ein Fenster an der Straßenseite wurde zur Eingangstüre umgebaut und eine im Innenhof errichtete Wellblechhütte nahm den kinematographischen Apparat auf.3

Während die Inneneinrichtung des Zuschauerraumes von heimischen Handwerkern geschaffen wurde, installierte die Baugesellschaft Augsburg die Elektroanlage und ein nicht näher zu identifizierender Herr Landau aus München montierte den Filmapparat der Firma Pathé-Frères,4 der die Bilder auf eine Mattglasscheibe projizierte,5 die vor der Ausgangstüre angebracht war.

Die Eröfinungsvorstellung fand am Sonntag, den 24. Dezember 1911, statt. Schmidbaur bot eine Kindervorstellung an, in der er unter anderem die Geschichte von Fritzchen auf der Walze und die Posse Hat Müller einen Kraftwagenführerschein?, aber auch den belehrenden Film Mechanische Herstellung eines Buches zeigte. Zwischen 13 und 18 Uhr wurden an diesem ersten Kinotag insgesamt sieben Streifen vorgeführt.6

Das Kinematographentheater in der Gastwirtschaft Zum Weißen Löwen verfügte über 50 Sitzplätze, wurde durch einen eisernen Ofen beheizt und besaß eine direkte Verbindung zum Gastzimmer. Außerdem konnte man den Lichtspielsaal auch von der Reichsstraße aus betreten.

1916 wurde das Lichtspieltheater mit elektrischem Licht ausgestattet. Ein durch Kurzschluß entstandener kleiner Brand zwei Jahre später blieb die einzige technische Betriebsstörung. An Christi Himmelfahrt, dem 15. Mai 1920, fand die letzte Filmvorführung im Lichtspielsaal in der Reichsstraße statt.

Das Kino-Café Reichshof 1920-1924

nachdem Wendelin Schmidbaur den Gasthof Zum Weißen Löwen an Walter Nerz aus Nürnberg verkauft hatte, ließ dessen Geschäftsleiter Josef Brandner im Juni 1920 im rückwärtigen alten Brauereigebäude ein Kinotheater mit 100 Plätzen, verteilt auf zwei Sitzreihen mit Mittelgang, einbauen. Den Kinosaal betrat man nun aber nicht mehr von der Reichsstraße aus, sondern von deren Seitenstraße, der Augsburger Botengasse.7 Am 29. August 1920 eröffnete der Lichtspielsaal Donauwörth im Hofbereich des Kino-Cafés Reichshof mit dem großen Prunkfilm Satanas mit Conrad Veidt in der Titelrolle.8 Bis 1924 fanden an Samstagen und Sonntagen im ofenbeheizten Kinosaal Filmvorführungen statt. Am 20. März dieses Jahres gaben die Reichshoflichtspiele mit den Streifen Die Flucht aus dem Leben und Makok als Doktor Eisenbarth ihre Abschiedsvorstellung. Einige Tage vorher war im Donauwörther Anzeigenblatt bereits eine "komplette Kino-Einrichtung" zum Verkauf angeboten worden.9 Selbst die Räumlichkeiten der ersten beiden Kinos von Donauwörth wurden schließlich bei Luftangriffen auf die Stadt im April 1945 völlig zerstört.


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Die Kronen-Lichtspiele 1924-1929

Die kinolose Zeit dauerte aber nicht lange. 1924 kam Centa Schmidbaur, die 1881 geborene Tochter des ersten Donauwörther Kinobetreibers, aus München-Pasing in ihre Heimatstadt zurück. In Pasing hatte sie seit 1922 als Geschäftsführerin Zachs Lichtspiele geleitet,10 und in Donauwörth selbst hatte sie bereits in den Jahren zwischen 1912 und 1920 Filme im Kino ihres Vaters vorgeführt.

Nach ihrer Rückkehr eröffnete Centa Schmidbaur im Saal des Hotels Krone in der Spitalgasse 7 die Kronen-Lichtspiele. Aus Gründen der Feuersicherheit war der Vorführraum außerhalb des Saales im Hofbereich in Massivbauweise errichtet worden11 Für die Wintersaison sah Centa Schmidbaur etwa zehn Filme vor; die Musikbegleitung in den Vorstellungen übernahm die Donauwörther Musikkapelle Horsch. Den Auftakt bildete am 4. Oktober 1924 Fritz Langs Filmwerk Die Nibelungen.12

Donauwörther Anzeigenblatt,
Dez. 1924

Da aufgrund auch anderer Nutzungen ein ständig bespieltes Kino im Kronensaal kaum möglich war, plante Centa Schmidbaur 1928 einen Kinoneubau in der Bahnhofstraße. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch.

Als Centa Schmidbaur am 5. September 1929 überraschend in München starb,13 schien wieder einmal eine kinolose Zeit in Donauwörth anzubrechen.

Die Donau-Lichtspiele 1928-1970

Der Retter war glücklicherweise nicht weit. Anton Schuster, Besitzer des Gasthofs Zum Becher in der Kapellstraße, ließ im Rückgebäude einen Kinosaal einbauen und einen Vorführapparat aufstellen. Eine Saalwand wurde weiß gestrichen und als der Stadtrat die Konzession für die Donau-Lichtspiele genehmigte, konnte es am 25. Februar 1928 losgehen. Das dreieinhalbstündige Startangebot lautete: Das deutsche Mutterherz - ein Weltkriegsfilm. Und als Zugabe lief ein Fünfakter zweier skandinavischer Komödianten: Pat und Patachon auf dem Pulverfaß. Gespielt wurde am Samstag, Sonntag und Montag, manchmal auch am Mittwoch und Freitag. Die Stummfilme wurden von größeren und kleineren Orchestern begleitet.

Der in Berg geborene Filmvorführer Wilhelm Gumpp pachtete 1937 von Schuster die Donau-Lichtspiele, die dann im Januar 1938 von Sebastian Färber aus Zusum übernommen wurden, der sie bis 1941 am alten Standort weiterführte.

Im April 1941 mietete Färber "für die Kriegsdauer" den Gesellenhaussaal mit 307 Sitzplätzen im Ried. Dort wurden am 21. Juni 1941 die Donau-Lichtspiele mit dem Großfilm Ohm Krüger mit Emil Jannings in der Hauptrolle, eröffnet. Bis Kriegsende wurden die Vorführungen - immer in Verbindung mit der Wochenschau - im Erdgeschoß des vormaligen Gesellenhauses gezeigt.

Die erste Filmvorführung nach dem Kriege fand dort am 21. Juni 1946 mit dem Film Im Schatten des Zweifels statt. Die Donauwörther Militärregierung hatte Albin Fischer, der seit 1941 als Filmvorführer im Gesellenhaus beschäftigt war, dazu die Lizenz erteilt. Fischer verkaufte am 1. Dezember 1950 seine Kinoeinrichtung an Anneliese Unger, die die Kinotradition in Donauwörth weiterführte. 1952 wurde der Kinosaal umgebaut, um 404 Besuchern Platz bieten zu können. Am 30. August 1952 war mit dem Farbfilm Grün ist die Heide erstmals eine Vorstellung ausverkauft.


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Donau-Lichtspiele
um 1930

Am 16. Dezember 1950 wurde im - seit der Kriegszerstörung im April 1945 - teilweise wiederaufgebauten Tanzhaus in der Reichsstraße zu Donauwörth ein zweites Kino mit 497 Sitzplätzen im Erdgeschoß eröffnet. Zum Auftakt lief die Farbfilmoperette Schwarzwaldmädel mit Paul Hörbiger, Rudolf Prack, Lucie Englisch und Sonja Ziemann in den Hauptrollen. Der Kinobetreiber der Tanzhaus-Lichtspiele war Sebastian Färber, der bereits 1938-1945 die Donau-Lichtspiele geführt hatte. Vorübergehend übernahm er dann 1970 von Anneliese Unger die Donau-Lichtspiele im Gesellenhaus im Ried, bevor er 1976 das Kinocenter im Ried neu erbaute, das bis heute unter der Regie seiner Tochter Rosemarie erfolgreich weitergeführt wird.

Kinosaal
in Donauwörth,
um 1930


Anmerkungen

1 Stadtarchiv Donauwörth, Konzessionsakt 46/25 - Gastwirtschaft zum Weißen Löwen 1888-1925 und Bauakt 309/1911 - Reichsstraße 41 (191/2) (1896-1930) 

2 Stadtarchiv Donauwörth, Elektrische Licht- und Starkstromanlage der Firma Ludwig Auer in Donauwörth (1904-1913) 

3 Stadtarchiv Donauwörth, Bauakt 309/10 - Reichsstraße 41 (191/2); Bauantrag vom 5. Dezember 1911 

4 Rauter, Rudolf: Licht für Donauwörth. Die Entwicklung der Stromversorqung in Donauwörth, Nordschwabens freundlicher Mitte, von den ersten Anfangen bis 1945, Nördlingen (1984) S.117-119. Ungenauigkeiten im Detail wurden, soweit überprüfbar, berichtigt. 

5 Stadtarchiv Donauwörth, Feuersicherheit größerer Versammlungslokale (1897-1932), Berichte vom 5.10.1912 und 9. 10.1918 

6 Donauwörther Anzeigenblatt, 23. Dezember 1911 

7 Stadtarchiv Donauwörth, Bauakt 310/1920 - Bauplan vom 6. Juni 1920 

8 Donauwörther Zeitung vom 28. August 1920 

9 Donauwörther Anzeigenblatt vom 21. März 1924 

10 Rauter, Rudolf, S. 211-213 

11 Stadtarchiv Donauwörth, Bauakt 125/6 

12 Donauwörther Anzeigenblatt vom 2.10.1924 und Bericht am 6.10.1924 

13 Todesanzeige siehe: Donauwörther Anzeigenblatt vom 7 September 1929