Abdruck aus:

Optische Erfindungen von der Lochkamera zum Wanderkino
mit Beiträgen zur Kinogeschichte in Schwaben.

Schriftenreihe der Museen des Bezirks Schwaben,
herausgegeben von Hans Frei, Band 11.

© Museumsdirektion des Bezirks Schwaben, Gessertshausen 1995.
Zitate bitte mit genauer Quellenangabe "Forschungsstelle Mediengeschichte im internet, Universität Oldenburg" .Übernahme von Grafiken nur nach vorheriger Absprache

Wir danken der Museumsdirektion des Bezirkes Schwaben für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung der Beiträge.

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Karl-Hermann Werner

Vom Wanderkino zum Lichtspieltheater

Die Anfänge

Der Beginn des Kinos in Schwaben liegt noch vor der Jahrhundertwende. Für diese Zeit finden sich Hinweise über gelegentliche Kinovorstellungen in Varietés, in Wirtshaussälen oder in Kinobuden auf den Jahrmärkten. Die erste Filmvorführung in Augsburg fand am 19. Oktober 1896 im Kaffeehaus Mercur statt (s. Beitrag F. Schreiber).

Der Schwäbische Postbote 1, das Feuilleton zur Neuen Augsburger Zeitung, veröffentlichte in seiner Ausgabe am 6. November 1896 einen umfangreichen Artikel über "Lebende Photographien":

"Lebende Photographien. Eine neue Art Theater-Vorstellung die auf der Berliner, Nürnberger und Stuttgarter Ausstellung so großartige Sensation machte, fand kürzlich auch im oberen Lokale des Cafe Merkur in Augsburg statt. Bei jeder Vorstellung, die nur 15 Minuten dauerte, war das kleine Theater sehr gut besucht.

In diesen Theatern sieht man eine Reihe aus dem täglichen Leben gegriffener Bilder an sich vorüberziehen. Aber nicht etwa in starren Bildern; nein, alles lebt und ist in Bewegung, ganz wie in der Wirklichkeit. Da sieht man die Eisenbahn ankommen, die Maschine rauchen, Passagiere aussteigen, abgehen, sich drängen und drücken alles wie natürlich. Dann blickt man in eine Straße mit allem Zubehör, als Fußgänger, Wagen, Radfahrer u.s.w., ganz wie in Wirklichkeit. Diese wunderbaren, immer wechselnden Darstellungen sind erzielt worden durch eine ununterbrochene Reihe von Schnell- Moment- Photographien, welches Verfahren man Kinematographie nennt.

Der Kinematograph (welcher inzwischen auch in Wien und Berlin seinen siegreichen Einzug gehalten hat) ist ein Apparat, welcher gestattet, nicht nur durch die Photographie mit bewundernswerter Genauigkeit lebende Vorgänge der verschiedensten Art und alle, selbst die geringsten Bewegungen, aus welchen der Vorgang sich zusammensetzt, festzuhalten, sondern auch dieselben getreu, in derselben Größe wiederzugeben, indem man sie auf eine weiße Fläche projicirt und sie derart für eine ganze Versammlung von Zuschauern zugänglich macht.

Es wird also, dank dieser Erfindung, möglich, die Vorgänge des wirklichen Lebens bis in die geringsten Einzelheiten zu entwickeln. Das Leben wird überall, wohin das Objektiv gerichtet wurde, festgehalten, und alles, was sich ereignet hat, kommt getreulich wieder zum Vorschein, ebenso, wie im Edison'schen Phonographen das einstmals vernommene Wort mit den geringfügigsten Modulationen der Stimme wieder hörbar wird.

Um sich von dem Princip, auf welchem dieser Apparat beruht, eine Vorstellung zu machen, muß man sich an die Spielsachen, Namens Zootrop, oder Praxinoscop, erinnern, bei welchen Zeichnungen, welche in ziemlich roher Weise in einzelnen Phasen eine Bewegung darstellen, in sehr nahen Abständen auf einem schmalen- Papierstreifen dargestellt sind. Dieser Streifen ist in einem Kasten angebracht, welcher sich sehr rasch vor einer mit Kerzenlicht beleuchteten Spalte dreht, an welche man das Auge hält; er gibt eine annähernde Vorstellung der einfachen Bewegung, welche die Zeichnung darstellt, z. B. eines Sprunges, eines Tanzes u.s.w.. Durch die Fortdauer der Lichteindrücke auf die Netzhaut wird in allen diesen Apparaten die Vorstellung der Bewegung hervorgerufen.

Durch die Fortschritte der Photographie wurde man in die Lage versetzt, diese rohen Zeichnungen durch Photographien von peinlichster Genauigkeit zu ersetzen, welche Photographien von peinlichster Genauigkeit, in Apparaten von großer Vollkommenheit angebracht, den Eindruck des Vollkommenen Lebens machen.


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Der Kinematograph ist ein vollständiger Apparat, welcher gestattet, nicht nur die Ansichten aufzunehmen, sondern sie auch zu projiciren.

Die Vorführungen, welche mit demselben erzielt werden, sind wahrhaft bewundernswerth. Die lebenden Vorgänge werden auf einem mit Bromsilberemulsion überzogenen Kollodium-Streifen photographirt, welcher sich in vertikaler Richtung in einem hermetisch abgeschlossenen Kasten aufrollt. Dieser Kasten ist mit einem Objektiv versehen, welches abwechselnd frei und gedeckt ist, je nachdem der Streifen ruht oder sich weiter abrollt. Durch einen mit äußerster Genauigkeit ausgeführten Mechanismus rollt sich der Kollodium - Streifen, auf welchem die Bilder photographirt werden, in fortlaufenden, durch Stillstände unterbrochenen Bewegungen ab.

Dieser Streifen wechselt daher zwischen maximaler Geschwindigkeit und absolutem Stillstand und ist während der ganzen Zeit, wo die Platte in Ruhe ist, d. h. während zwei Dritteln der ganzen Zeit, beleuchtet.

Die verschiedenen, auf diese Weise in Zwischenräumen von 1/5 Sekunde erzielten Aufnahmen sind absolut, d. h. so, daß, wenn man je zwei Bilder übereinander legt, die Partien, welche unbewegliche Gegenstände darstellen, sich vollständig decken, während die anderen Partien Stellungen zeigen, deren Verschiedenheit die in den Momenten, wo die zwei Aufnahmen gemacht wurden, vollendete Bewegung darstellt.

Die Zahl der Aufnahmen beträgt 15 in der Sekunde; der Vorgang einer Minute umfangt daher 900 Photographien und nimmt einen Streifen von 18 Meter Länge und 3 Centimeter Breite in Anspruch.

Der Apparat gestattet, Bilder von großer Tiefe wiederzugeben, wie ganze Straßen oder öffentliche Plätze mit allen Bewegungen der Fußgänger, Wagen, Tramways usw., und der Eindruck der Bewegung bei den vergrößerten Aufnahmen ist ein derartiger, daß die projicirten Vorgänge von überraschender Lebendigkeit sind."

Über das Kino auf Rädern, die Kinobude auf den Jahrmärkten in Schwaben finden sich in den Archiven kaum Quellen. Dagegen stößt man in lokalen Zeitungen immer wieder auf die Anzeigen von Schaustellern mit Kinobuden. Anhand ihrer Inserate lassen sich Wanderkinematographen wie Dölle, Leilich und Lindner ab ca. 1900 in schwäbischen Städten und Märkten nachweisen. D. Dölle mit seinem Welt-Kinematographen treffen wir in Nördlingen, Krumbach, Schwabmünchen und Ichenhausen an (siehe dazu die Beiträge in diesem Buch).

Kino und Sicherheit

Die Anfänge des Kinos als stationäre Einrichtung in einem eigenen Haus - also des Kinos, so wie wir es heute kennen -setzen in Schwaben erst einige Jahre nach der Jahrhundertwende ein. Die ersten Lichtspieltheater waren in der Regel Einbauten in Wirtshäuser, Brauereigebäude und ähnliche Anwesen, die sich aufgrund ihrer Größe zu Kinosälen umfunktionieren ließen. Über sie finden wir in den Archiven der Städte und Bezirksämter umfangreiches Aktenmaterial über Genehmigungsverfahren, Bauvorhaben und sonstigen Schriftverkehr.

Sehr schnell wurden strenge Auflagen, vor allem Sicherheitsbestimmungen für den Bau und den Betrieb von Lichtspieltheatern erlassen, und konsequent durchgesetzt. Die Betriebserlaubnis wurde im Prinzip jeweils nur für ein Jahr erteilt, die Verlängerung war vom Ergebnis der jährlichen Überprüfung des Lichtspieltheaters abhängig.

Dies war auch nötig, denn die Kinoprojektoren wurden mit flammenden Lichtquellen, mit Bogenlampen, Azetylenbrennern und erst relativ spät mit einer geschlossenen Glaskolbenlampe betrieben. Das Trägermaterial der Filme war aus einem nicht nur brennbaren, sondern geradezu explosiven Material.

Die nachfolgend abgedruckten "Ortspolizeilichen Vorschriften der Stadtgemeinde Burgau für den Betrieb von Kinematographen" 2 vom 5. Oktober 1913 finden sich in vergleichbarer Textfassung auch in den Akten anderer Kommunen mit Lichtspielen.


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Der Magistrat der Stadt Burgau: ortspolizeiliche Vorschriften



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Zwar wurden für einen Probebetrieb zur Ermittlung der Rentabilität bisweilen Ausnahmegenehmigungen mit geringeren Auflagen erteilt, wenn es jedoch um eine endgültige Zulassung ging, scheiterte so manches Lichtspielunternehmen bereits in der Planungsphase an diesen Sicherheitsbestimmungen, da viele Gastwirte und Hausbesitzer zu umfangreichen Baumaßnahmen nicht bereit waren.

Kontrolle und Zensur

Außer durch bauliche und Sicherheitsbestimmungen wurde ein ungehemmter Kinobetrieb bereits sehr früh durch die Zensur behindert. Ein Film durfte nur dann öffentlich aufgeführt werden, wenn eine gültige Zensurkarte mit entsprechender Freigabe vorlag.

In Berlin wurde um 1913 die Zensur bereits relativ liberal gehandhabt. Die Berliner Zensurkarte hatte jedoch in Bayern keine Gültigkeit. Alle Filmproduktionen mußten hier ein eigenes Genehmigungsverfahren durchlaufen. Was dies aus der Sicht der Kinobetreiber bedeutete, entnehmen wir einem ausführlichen Schreiben von Phil. Nickel, dem 1. Vorsitzenden des Vereins bayerischer Kinematographen-lnteressenten, vom 30 Januar 1914 an das Staatsministerium des Innern zu München 3. Nickel beginnt sein Schreiben mit einer Selbsteinschätzung des Lichtspielwesens: "Mehr und mehr hat sich die Kinematographie zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren des öffentlichen Lebens entwickelt. Sie ist Großindustrie und Kleinhandel zugleich, schafft ungeheure ökonomische Werte, gibt Tausenden von Menschen Brot und auskömmlichen Verdienst, ja, sie wäre, wollte man ihr von behördlicher Seite nur Zeit gönnen, sich richtig zu entwickeln, nahe daran, mit einer der wichtigeren Stützen des Staatshaushaltes zu werden. Unbegreiflicherweise geht man indes daran, eine Industrie und ein Gewerbe, welche dem Staate Millionen erbringen, mit kaltblütiger Zielbewußtheit zu erdrosseln. Es ist eine traurige Tatsache in der Kulturgeschichte aller Länder, daß gerade die wichtigsten Erfindungen in ihrer Entwicklungsperiode die schwersten Hemmungen erfuhren und auf das Heftigste bekämpft wurden. Wer lacht heute nicht über den Don- Quijote- Kampf, den man vor 75 Jahren gegen die Eisenbahn führte, oder greifen wir auf die allerjüngste Vergangenheit zurück, wie bekämpfte und erschwerte man die Entwicklung des Radfahr- und Automobilsportes oder, um noch ein treffliches Beispiel anzuführen, wie erschwerte man dem Grafen Zeppelin den Weg zum endlichen Ruhme durch Verständnislosigkeit und Voreingenommenheit gegen eine Erfindung, die heute die ganze Welt bewundert?

Der Kinematographie wird in Bayern gerade von hoher Stelle herab das Leben mit allen Mitteln sauer gemacht. Der Staat, die Kirche, der weltfremde Pädagoge, alles, alles, hat sich gegen die Kinematographie verbündet und um einem fühlbaren Bedürfnis in unserer schlagwörterreichen Zeit abzuhelfen, erfand man ein neues Schlagwort: Das Kino vergiftet das Volk! Ohne sich die geringste Mühe zu geben, die Antipathie gegen die Kinematographie irgendwie auf ihre Berechtigung zu untersuchen, betet alles kritiklos dieses Schlagwort nach. Was tut's, daß das Kino Staat und Gemeinde redlich seinen Obolus spendet? Was tut's, daß die Filmfabrikanten, die Filmverleiher, die Theaterbesitzer alle behördlichen Anordnungen auf das pünktlichste und gewissenhafteste befolgen? Daß sie dem Staat geben, was des Staates ist und mit zu den besten Bürgern zählen? Nützt alles nichts! Immer wieder heißt es: Nieder mit dem Kino !......."

Nickel geht in seinem Schreiben auch auf die wirtschaftliche Bedeutung der Kinematographie ein und errechnet für Bayern einen Gesamtumsatz von mindestens 10 Millionen Mark pro Jahr. Von ihren Brutto-Einnahmen, so erklärt er, müßten die Kinounternehmer 15-25% Lustbarkeitssteuer abführen. Zudem so Nickel, liege der Hauptkrebsschaden des Filmgewerbes in der Zensur. Bitter beklagt er sich, daß sich die Filmzensur in Bayern für alle Filme am Anschauungs- und Bildungsbedürfnis 6-16 jähriger Kinder orientiere, obwohl, abgesehen von München, in allen Städten und Gemeinden Bayerns erst jugendliche Personen ab dem 16. Lebensjahr ein Kino besuchen dürften. Abgesehen von der Filmzensur, so klagt Nickel weiter, würden die Kinobetreiber, die doch allesamt gute bayerische Staatsbürger und treue Anhänger des Königshauses seien, gleich entlassenen Sträflingen, wegen jeder Lappalie, einer scharfen Polizei-Aufsicht unterworfen.


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Diese Selbsteinschätzung der Kinobetreiber relativiert sich deutlich, berücksichtigt man die polizeilichen Führungszeugnisse, Zahlungserinnerungen und Strafgelder wegen nichtbeachteter Vorschriften. Es zeigt sich nämlich, daß in diesem neuen Berufsstand der Kinematographenbetreiber nicht nur Weizen, sondern auch viel Spreu sein Glück und einen schnellen Gewinn suchte.

Was aber nun die Zensur in Bayern betrifft, zitiert Nickel in seinem Brief mehrere Firmen, die sich mit dem Verleih und der Produktion von Medien befassen. Dort heißt es:

"Wir haben schon vor Jahren versucht, unsere Bilder durch die Münchener Zensur zu bringen, aber dort geradezu  Schreckliches erlebt. Von ca. 10 Films, die von der dortigen Behörde zensiert wurden, ist nicht ein einziger genehmigt worden, trotzdem sehr elegante und einwandfreie Sachen darunter waren, welche die Berliner Zensur als vornehm und bildend bezeichnete."............. "Nachdem wir in der Zukunft keine Lust hatten, unserer Films durch die Ausschnitte der Münchner Zensur wertlos machen zu lassen, haben wir es unterlassen, weitere Bilder zur Zensur zu stellen. Wir haben das Gefühl, daß von der bezeichneten Stelle sehr viel gesündigt worden ist und deshalb die Kinematographie in Bayern so wenig Erfolg zeitigt."

Im Schreiben einer anderen Firma wird ausgeführt:
"Selbstverständlich sind wir auch sehr gerne bereit, ebenfalls Programme nach dort zu liefern, vorausgesetzt natürlich, daß uns die Münchner Zensur nicht allzu viele Scherereien macht. Wenn nämlich zu viel aus den einzelnen Films herausgeschnitten wird, so werden die Films für das übrige Deutschland wertlos."

Und ein weiterer Brief ergänzt schließlich:
"............... allerdings werden von seiten dieser letzteren so unbegründet viel Szenen herausgeschnitten, daß die Films dadurch unverständlich sind. Aus diesem Grund können wir unsere Fabrikate in Bayern nur in so geringem Maß unterbringen, daß es sich kaum mehr verlohnt, durch den Reisenden die dortige Verleihkundschaft besuchen zu lassen."

Nickel fordert daher:
"1. Aufhebung der Prüfungsgebühren und Bezahlung der Zensurkarten. Die Angehörigen aller deutschen Bundesstaaten besitzen gleiches Recht und gleiche Pflichten, darum verlangen wir, daß die Zensur, wie sie in Berlin stattfindet, kostenlos sei;
2. eine getrennte Zensur für Erwachsene und eine solche für Kinder;
3. Freigabe von Naturaufnahmen, wissenschaftlichen Films und Aktualitäten;
4. Giltigkeit der von der Berliner Zensur ausgestellten Zensurkarten auch in Bayern, denn die Moral in Bayern ist keine andere als in Preußen und außerdem stellt die konstante Zurückweisung der Berliner Zensurkarten einen Akt der Unfreundlichkeit gegen einen mit uns befreundeten und eng verbündeten Staat dar. Zudem zeigt die Praxis, daß der Berliner Zensor ohnehin schon schroff genug urteilt, was aus den Urteilen des preußischen Oberverwaltungsgerichtes, das von 7 vom Zensor verbotenen Films 5 freigeben mußte, hervorgeht."

Das Statistische Jahrbuch für das Königreich Bayern veröffentlichte für diesen Zeitraum 4 die Zensurergebnisse der Landesstelle zur Prüfung von Lichtspielbildern. Die überaus dramatische Darstellung von Phil. Nickel wird von den Zahlen her zwar nicht bestätigt, nach 1914 ist jedoch ein deutlicher Rückgang bei den Beanstandungen durch die Zensur zu erkennen.


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Der Wunsch, ein Leinwandstar zu werden

Die vage Hoffnung auf eine Karriere beim Film brachte es immer wieder mit sich, daß Jugendliche und auch Erwachsene auf Schwindler hereinfallen. In einem Rundschreiben des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 16. September 1929 finden wir einen Vorgang verzeichnet, der ebensogut in unseren Tagen passiert sein könnte.5

Unter der Leitung von Anton Steib aus Augsburg, Otto Pollerspöck aus Stürzl und Michael Werner aus Frankfurt am Main machten die Werk- und Privatfilmproduktion Augsburg- Nürnberg und die Werk- und Landesfilmproduktion Augsburg- Nürnberg von sich reden. Der Kaufmann Anton Steib hatte die Absicht, mit der Werk- und Privatfilmproduktion einen Film unter dem Titel: "Mit welchen technischen Mitteln wird ein gegenwärtiger Krieg geführt werden?" zu produzieren, in dem die Verwendung moderner Kriegswaffen veranschaulicht werden sollte.

Mittels Zeitungsinserat suchte die Firma Interessenten, die sich als Filmschauspieler ausbilden lassen wollten. Bewerber wurden in einen angemieteten Lagerraum bestellt, wo sie gegen eine Einschreibe- und Aufnahmegebühr von 1,30 Reichsmark einen Ausweis und eine Eintrittskarte erhielten, die sie zur Teilnahme an den Probe- und Filmterminen berechtigen sollten. Für jede Unterrichtsstunde war eine Eintrittsgebühr von 35-50 Reichspfennig und für jede photographische Filmaufnahme eine Gebühr von 3 RM zu entrichten. Allen Schülern wurde bei entsprechender Eignung eine feste Anstellung in Aussicht gestellt. In Einzelfällen wurden den Bewerbern die verlockendsten Versprechungen gemacht, die jedoch nie erfüllt wurden.

Gegen die Inhaber der Firmen wurde schließlich von zahlreichen geschädigten Personen, die Beträge bis zu 60 RM bezahlt hatten, Anzeige wegen Betrugs erstattet. Die Polizei stellte im Rahmen ihrer Ermittlungen fest, daß es sich bei den Unternehmen um reine Scheinfirmen handelte, die nur auf die Einnahmen aus dem angeblichen Filmunterricht aus waren. Als Seele dieses Schwindelunternehmens wurde der absolut mittellose und mehrmals wegen Betruges vorbestrafte Otto Pollerspöck bezeichnet.

Trotz dieser "schwarzen Schafe", überwogen unter den Kinobetreibern der ersten Stunde dennoch solide Unternehmer ohne große Gewinnaussichten, Pioniere einer neuen Technik und Wegbereiter eines neuen Massenmediums, das in ganz Schwaben rasche Verbreitung fand.

Die Entwicklung des Lichtspielwesens in Schwaben
nach dem Statistischen Jahrbuch für Bayern.

Im Statistischen Jahrbuch für das Königreich Bayern 6 werden erstmals im 12. Jahrgang 1913 für die 10 größten Städte Bayerns Zahlen über das Kinowesen genannt. Die Statistik erfaßte zunächst nur die Zahl der Lichtspielhäuser, der Sitzplätze und der ausgegebenen Eintrittskarten. Später werden die Angaben auf alle größeren Städte Schwabens ausgeweitet.

Die nachfolgenden Aufstellungen wollen Entwicklungen im Lichtspielwesen aufzeigen. Die umfassendsten Zahlen sind über die Stadt Augsburg verfügbar. Nicht minder interessant sind auch die Angaben zu den unmittelbaren Städten und den Bezirksämtern, wenngleich die Zahlen hierfür nur für wenige Jahre veröffentlicht wurden.

- Statistische Zahlen für Unmittelbare Städte in Schwaben
- Statistische Zahlen für die Bezirksämter in Schwaben
- Zahlen zur Filmproduktion in Bayern 1920-29
- Statistische Zahlen für Augsburg 1912-1992

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Anmerkungen

1 Der Schwäbische Postbote, 6. 11. 1896 
2 Staatsarchiv Augsburg, BA Günzburg 4372 
3 Staatsarchiv Augsburg, BA Nördlingen 1032 
4 Statistisches Jahrbuch für das Königreich Bayern, 12. Jg. (1913),13. Jg. (1915) und 14. Jg. (1919) 
5 Staatsarchiv Augsburg, BA Nordlingen 38961 
6 Statistisches Jahrbuch für das Königreich und Land Bayern, ausgewählte Jahrgänge von 1913 bis 1993 Zusätzliche Quellen: Stadtarchiv Augsburg, Akten der Lichtspieltheater