aus: Hoffmann, Detlef/ Thiele, Jens (Hg.): LICHTBILDER-LICHTSPIELE. Anfänge der Fotografie und des Kinos in Ostfriesland. Marburg 1989, S. 288-303.   (Zurück zur Übersicht)
Bernd Poch

Optische Schaustellungen in Ostfriesland

Bis zur Jahrhundertwende gab es auf den Jahrmärkten und in Sälen Attraktionen zu sehen, die heute weitgehend aus dem Bewußtsein verschwunden sind. Laterna magica, Panorama, Diorama, Cyklorama und Mechanisches Theater sind Bezeichnungen aus einer Kultur, die mit dem Erscheinen der Wanderkinos dem Untergang geweiht war. In diesem Beitrag nun sollen deren Erscheinungsformen in Ostfriesland dargestellt werden. Dies ist nicht immer einfach, denn genaue Beschreibungen sind in der Fachliteratur kaum zu finden; den Annoncen, die zudem noch oft übertriebene Angaben machen, lassen sich nur in Bruchstücken Informationen entnehmen.

Laterna magica

Die Anfänge der Laterna magica-Produktionen im ostfriesischen Raum lassen sich hier nicht beschreiben, da sie sicherlich weit vor Beginn des Untersuchungszeitraumes ab 1848 stattgefunden haben. Der erste Schausteller mit einer Laterna magica kam angeblich aus Paris nach Em-den. Es war Antoine Graffina, der im Saale des Clubs „zum guten Endzweck" Nebelbilder oder „dissolving views" zum besten gab. Nebelbilder nannte man das Überblenden zweier handgemalter Laternenbilder durch zwei Laternen gleicher Brennweite. Durch Auf- und Abblenden mit einem geeigneten Mechanismus oder z.B. durch Drosselung der Gaszufuhr erreichte man, daß die Laternenbilder ineinander übergingen. Die einzelnen Bilder verschwanden im Nebel, genauso tauchten andere nach sanfter Überblendung auf. Der Name „Nebelbilder" hat also nichts mit der auch praktizierten Projektion auf Rauch zu tun. Durch Nebelbilder konnte der Tag durch die Nacht abgelöst werden, konnte ein Zeitablauf dargestellt werden.


Ob mit Hebeln ein Säugling im Arm des Vaters geschaukelt wird, mittels einer Kurbel Köpfe vertauscht werden oder wie hier durch verschiebbare Glasplatten ein Zug über die Brücke fährt und die Augen beim Küssen rollen, immer üben diese Darstellungen eine große Anziehungskraft aus. Bewegliche Bilder für eine Spielzeug- Laterna magica. Anfang 20. Jhd., Heimatmuseum Weener.


Die Ostfriesen schienen in ihrer Mehrzahl noch nicht Berührung mit projizierten Bildern gehabt zu haben, denn in der nächsten Annonce in der Lokalzeitung vom 8. September 1850 beeilte sich Graffina hervorzuheben, „daß die großen Lichtbilder in Lebensgröße dargestellt werden." Nebelbilder durften in keiner „Kunstproduction" fehlen. Neben „scheinbarer Zauberei", mimisch-akrobatischen und bioplastischen Vorstellungen und Marionettentheatern gab es oft Laternenbilder zu bewundern. Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts gab es vermehrt sog. „Agioskope" zu sehen, Laterna magica-Bilder mit mechanisch beweglichen Teilen. Man konnte mit einem auf einer zweiten Glasplatte gemalten Zug diesen über eine Brücke fahren lassen, indem man die Platte vor der ersten entlangschob, Arme und Beine wurden mit Hebeln bewegt und Wagenräder durch Kurbeln und Zahnkränzchen zum Drehen gebracht. Der Phantasie waren kaum Grenzen gesetzt. Neben Cornelius Lamb 1867 und dem Physiker Lorgie erregte vor allem der sich ebenfalls Physiker nennende Schausteller Driesch mit seinem „Pariser Kunst-Theater" große Aufmerksamkeit. Die Besprechungen in Norden und Emden anläßlich der Auftritte im Oktober 1868 ähneln sich in ihrer Begeisterung, es sei hier der Artikel der Ostfriesischen Zeitung aus Emden wiedergegeben. Über seine mechanischen Nebelbilder hieß es dort: „Dieselben sind zwar keine neue Erscheinung, jedoch in dem, was sie leisten, einzig ihrer Art. Natur und Leben sprechen in den Bildern; die lieblich schönen Wasserfälle und Fontainen, denen man das Plätschern ablauschen möchte, die in Massen herabfallenden Schneeflocken, welche eine Landschaft in ein reizendes Winterkleid hüllen, das mechanische Beleben der einzelnen Bilder durch Schiffe, Eisenbahnen, Fuhrwerke, Personen, die ebenso natürliche Abwechselung der Beleuchtung, alles dieses bietet eine höchst angenehme Unterhaltung, bei welcher man unwillkürlich seinen Beifall äußern muß [...]."2


Ostfriesische Zeitung, 1.2.1879


Hauptvertreter der Laterna magica-Vorführer wurden bald die Zauberer, die sich der Laterne gern bedienten. „Welttableauxs" gab es oft zum Schluß der Abendvorstellung zu sehen, vermutlich aber diente die Laterna magica, die Zauberlaterne, auch zum „Citieren von Geistern". Zeichnungen in Annoncen von F. J. Basch am 26.2.1864 und von Prof. Merelli am 1.2.1879 in der Ostfriesischen Zeitung zeigen den Teufel und Geister, welche schemenhaft aus Qualm emporsteigen, ganz so, wie Geisterprojektionen in der Literatur beschrieben werden:

„Er läßt Tote aus einer Art Sarg auferstehen und beschreibt eine Vorrichtung, wie der Rauch aus der breiten Pfanne sich nicht im Zimmer ausbreiten kann, vielmehr wie eine hohe flach aufsteigende Wand ausschaut, auf der ein 'Geist' günstig projiziert werden kann. Die Kohlenpfanne bestreut er mit kleinen Stücken Pech."3

Diese Geistererscheinungen konnten, anders als in der Frühzeit der Schauerbilder, eher erstaunen als erschrecken, denn die Zauberei hatte nichts mehr Teuflisches an sich, sie präsentierte sich selbst als „physique amüsante".

„Zur Erheiterung dienten dann noch verschiedene Karikaturen, Farbenspiele und schließlich die Geister- und Gespenstererscheinungen", hieß es denn auch in der Ostfriesischen Zeitung vom 23.11.1877 zu einer erfolgten Vorstellung des Zauberers E. Basch.


Brutus, Cassius, Judas Ischariot und andere Verräter werden von Luzifer, dem Höllenfürsten, gepeinigt. Laternenbild aus dem Projektionsvortrag zu Dantes "Die Göttliche Komödie". Detlef Hoffmann/ Almut Junker: Laterna Magica. Berlin 1982, o.S.


Das Programm, das die Zauberer oder andere Schausteller mittels der Laterna magica zeigten, bleibt weitestgehend unbekannt. Bis auf wenige Ausnahmen gaben die Annoncen, die die Quelle zu dieser Untersuchung bilden, in dieser Beziehung keinerlei Informationen preis. Prof. Cornelius Lamb „von der königl. Aegypt. Halle in London" führte die Emder im Februar 1867 in „Roms imposante Vergangenheit", E. Basch favorisierte Märchenszenen. Wie schon 1875 erzählte er mit Lichtbildern am 28. November 1877 in Emden die Geschichte von „Schneewittchen", hinzu kam „Das Märchen vom Storch". Mallini präsentierte dort 1884 auf dem Marktplatz in seiner Bude die oft Schaudern erweckende „Dante's göttliche Komödie". Eine Bilderserie gleichen Inhalts zeigte der Projektionskünstler Paul Hoffmann ab 1868 u.a. in Wien.4 Ob es sich um gleiche oder in Aussage und Qualität ähnliche Bilder bei Mallini in Emden gehandelt hat, kann nicht gesagt werden. Eines aber leisten die in dem Buch „Laterna Magica"5 reproduzierten Projektionsbilder: Sie geben Auskunft über die Pracht der Laterna magica-Bilder und lassen erahnen, welchen Eindruck sie auf ein noch nicht von der Bilderflut erfaßtes Publikum gemacht haben müssen.

Die oben erwähnte „Dante"-Vorführung macht schon deutlich, daß ab Anfang der 80er Jahre immer mehr der Übergang von unterhaltenden zu belehrenden Projektionsbildern vollzogen wurde. Aus der Laterna magica, der „Zauberlaterne", wurde das sog. „Skioptikon", das Dias und gemalte Bilder projizierende Vorführgerät.

Carl von Heugel hielt als erster einen wissenschaftlichen Vortrag mit Unterstützung von Lichtbildern im April und Mai 1876 im Clubsaal zu Emden. Zum Verständnis seiner „kosmographischen Vorlesungen" über die Entstehung des Sonnensystems, den Mond, die Sonne und den gestirnten Himmel waren keine besonderen Vorkenntnisse nötig. „Auch erlaube ich mir noch, die für Naturwissenschaften sich interessierenden Damen und Herren besonders zu denselben einzuladen, da seit den 24 Jahren, in welchen ich diese Vorlesungen in 236 größeren Städten Deutschlands und der Schweiz gehalten, sich stets eine große Anzahl Damen bei denselben betheiligt hat."6 Im Rahmen der Veranstaltungen der Naturforschenden Gesellschaft, des Volksbildungsvereins und des Handwerker-Vereins waren des öfteren Informationen über ferne Länder und über Kunst und Kultur durch Lichtbilder-Vorträge zu erlangen. Unter den Vortragenden fällt besonders der Privatgelehrte Wempe aus Oldenburg auf, der über mannigfaltige Themen zu referieren wußte. Ob über das „Wunder des Mikroskops", den „Kinematograph im Dienste der Wissenschaft" oder „Eine Polarfahrt mit der Norddeutschen Lloyd" von ihm berichtet wurde, immer konnte er sich großer Beliebtheit erfreuen.

„Wir haben in Herrn Wempe einen hervorragenden Vertreter seines Faches kennen gelernt, der einen bevorzugten Platz beanspruchen darf in der Zahl der Redner, die hier nun schon seit einer Reihe von Jahren auf denselben oder ähnlichen Gebieten aufgetreten sind."7 Auch zur Volksaufklärung wurden Lichtbilder-Vorträge gehalten. Am 3.12.1907 sprach Frau Alma Wartenburg, Hygienikerin aus Hamburg, über Probleme der Frauen, denen der Eintritt vorbehalten blieb. Fragen wie „Wie erhalten wir uns gesunde, glückliche und schöne Frauen?" und „Wie verhüten wir das Verblühen der Frauen?" wurden angesprochen und wohl auch beantwortet. Auch der Naturheilverem bediente sich der Lichtbilder. Am 8. Dezember wurde der Dia-Vortrag „König Alkohol und sein Gefolge: Krankheit, Verbrechen, Prostitution und Massenelend" im Emder „Tivoli" vom Schriftsteller Max König-Hannover gehalten. In natürlichen Farben waren unter anderem zu sehen:

....
5. Magen normal.
6. Magen erkrankt.
7. Darmschnitte.
8. Leber, normal.
9. Bierleber.
10. Schnapsleber.
11. Nieren in normaler Lage.
12. Nieren-Ansichten.
13. Nieren-Funktionen.
14. Nieren, verhärtet durch Schnaps.
15. Bierniere (verfettet).
...
23. Normales Hirn.
24. Trinker-Hirn.8


Eine große Ausnahme stellte dieser Vortrag dar. Gab es sonst immer Dias aus fernen Gegenden zu sehen, so brachte nun O. Richnow den Ostfriesen die eigene Heimat näher. Ostfriesische Zeitung, 30.3.1911


Diese sehr anschauliche Serie verfehlte ihre Wirkung sicher nicht. Im Februar 1909 wurde dann als letzter Lichtbildvortrag im Naturheilverein „Die Wohnungsfrage im Lichte der Volksgesundheit" erörtert. Zwei Jahre später zeigte ein O. Richnow in der Aula der Emder Töchterschule „Die alten Dorfkirchen und Burgen Ostfrieslands." Am 30.11.1911 waren zum ersten und - soweit nachvollziehbar - einzigen Mal öffentlich Lichtbilder aus der Region selbst zu sehen. In zwei Stunden gab es „eine Reihe der schönsten inzwischen verschwundenen Baudenkmälern, außerdem aber auch einige jetzt noch bestehende alte Dorfkirchen [zu sehen. B.P.]. Der zweite Teil bringt sodann eine große Zahl der bemerkenswerthesten ostfriesischen Dorfkirchen und Burgen, wie sie heute noch erhalten vor uns stehen, darunter schöne Innenansichten."9


Ostfriesische Zeitung, 30.3.1914


Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges tat sich in Emden der Turnverein bei der Organisation von Lichtbildervorträgen besonders hervor. In der Turnhalle in der Jahnstraße konnten sich die Emder u.a. an Bildern von einer Nordpolexpedition, an der Kinderstube der Tiere und am „Riesendampfer Imperator" erfreuen. Danach bestimmte der Krieg die Thematik:

„Land, Leute und Wirtschaftsleben in den besetzten feindlichen Gebieten", „Hoffnungen und Schicksale der deutschen evangelischen Gemeinden in Galizien im Weltkriege", „Die Kunst in Flandern und der Weltkrieg" lauteten die Titel der gutbesuchten Vorträge mit Vorführung von Glasdias. Von der Pracht und Rätselhaftigkeit der alten Laterna magica-Produktionen war nichts mehr übriggeblieben, die Laterna magica war zum Dia-Projektor geworden, in dessen Funktion sie noch heute gebraucht wird.


Foto aus dem Kaiser-Panoramazyklus über den Dampfer "Imperator". Bildarchiv Kaiser- Panorama- Berlin


 

 

 

 

Das Panorama

Ein großes Panorama m der Form eines 360 Grad-Gemäldes, dem man eine Befreiung des Blicks10 aufgrund seiner illusionistischen Wirkung hätte zuschreiben können, hat es in Ostfriesland niemals gegeben. In diesem doch ländlich zu nennenden Raum fehlte das Publikum, das die Errichtung eines Panoramagebäudes, einer Rotunde, rentabel hätte erscheinen lassen. So waren in Ostfriesland, wie bei anderen Medien auch, ausschließlich ambulante Schausteller unterwegs, um auf Märkten oder in Sälen ihre Gemälde vorzuzeigen. Ein Rundgemälde war das Jahrmarktspanorama nur in Ausnahmefällen. Bedingt durch die Transportschwierigkeiten in der damaligen Zeit und die erzwungene Mobilität ersannen die Schausteller eine Vielzahl von Varianten, die eine Verwandtschaft zu den großen Panoramen eines Barker nur noch erahnen ließen. Die Panoramen mußten schnell auf- und abzubauen sein, sich problemlos transportieren lassen und trotzdem beim Beschauer die Illusion eines Blickes in ferne Landschaften erzeugen.


Guckkästen auf dem Jahrmarkt. Im Hintergrund ist ein ca. fünf Meter hohes Panoramagebäude zu sehen. 1843. aus: Deutsches Filmmuseum (Hrsg.): Magische Schatten. Frankfurt/M. 1988, S. 96


„Kein Wunder, daß die deutschen Panoramisten auf Abhilfe sannen und dabei auf die bewährten Mittel des Jahrmarktes zurückgriffen. So entstanden Zimmerpanoramen, Zwitter aus Guckkasten und Panorama."11 Durch vergrößernde Gläser schaute man auf dahinter im Halbkreis stehende Gemälde, welche bei Bedarf schnell ausgewechselt werden konnten. Diese Art des Kleinpanoramas, auch „Cosmorama" genannt, war nicht dessen einzig mögliche Form, es gab eine Reihe von „-oramen", deren Aussehen kaum zu rekonstruieren ist.

Als erster Panoramist tauchte 1848 W. Meyer aus Clausthal in Emden auf. Er stellte im Saale des Herrn H. van Dohlen ein Panorama vom Harzgebirge auf, dem er nach drei Wochen (!) Aufenthalt Rundgemälde von Norwegen und der Schweiz hinzufügte. Vom 12.8. bis 28.9.1848, also für fast sechs Wochen, konnte man sich in Emden von 10 Uhr morgens bis 10 Uhr abends an den Gemälden ergötzen. Die außergewöhnlich lange Verweildauer läßt auf große Begeisterung seitens der Emder Bevölkerung schließen. Unter den Ostfriesland befahrenden Panorama-Unternehmern fällt vor allem H. G. Crombach auf, da er der überregional bekannteste ist. Aus Köln stammend und dort auch Panoramen zeigend, bereiste er hauptsächlich den Nordwesten Deutschlands. Im Mai 1849 ist er in Norden, im Juli des gleichen Jahrs in Emden nachweisbar. Seine Ausstellungsobjekte waren in beiden Städten gleich:

1) Die große Entscheidungsschlacht bei Waterloo. Rundgemälde, 74 Fuß groß.

2) Schlacht am Isly. Rundgemälde 24 Fuß groß.

3) Die Revolution in Berlin.

4) Die Revolution in Paris.

5) Die Schlacht bei Schleswig.

6) Panorama von Wien nebst der Erschießung Robert Blum's in der

Brigittenau u.s.w.12

Ferner war ein anatomisches Museum zu besichtigen. Betrachtet man das Programm und die Maße der Gemälde, so fällt es schwer, sich das Aussehen von Crombachs Panorama vorzustellen. Ein 24füßiges Panorama wie das der „Schlacht am Isly" könnte sehr gut in der Form des oben beschriebenen Zimmerpanoramas aufgestellt worden sein. Oettermann13 zitiert das „Berliner Kunstblatt", das den „Halbmesser" (Radius) eines durch Gläser zu betrachtenden Halbrunds auf 8 bis 10 Fuß schätzte, was auf eine Länge des Gemäldes von 25 bis 30 Fuß hinausläuft, also fast genau die Größe des von Crombach mitgeführten Panoramas ausmacht. Das 74 Fuß, ca. 25 Meter große Waterloo-Panorama hingegen wird vermutlich anders zur Aufstellung gekommen sein. Bei der Präsentation als „echtes" Panorama, bei dem der Besucher sich in der Mitte umgeben vom Gemälde befand, hätte Crombachs Waterloo-Panorama einen Durchmesser von immerhin fast acht Metern gehabt, wäre also auch von mehreren Personen gleichzeitig begehbar gewesen. Crombach, der 1850 und 1852 nach Ostfriesland zurückkehrte, war, wie Oettermann richtig vermutet, nicht der Schöpfer seiner Bilder, sondern lediglich der Unternehmer. Dies läßt sich eindeutig den Anträgen auf Erlaubnis zur Aufstellung eines Panoramas entnehmen, die Crombach 1848 und 1849 bei der königl. hannoverschen Landdrostei in Aurich zu stellen hatte (1848 erkrankte C. und konnte so seine beantragte Reise nicht antreten).

„Mein Panorama besteht aus den von dem berühmten Schlachtenmaler Professor Thiemer m Dresden angefertigten Gemälden, welche in allen großen Städten Deutschlands, woselbst ich sie zu zeigen Gelegenheit hatte, das kunstliebende Publikum befriedigend ergötzten."14 Für immerhin einen Monat stellte Conrad Gutperle 1853 in Emden sein Panorama von London in einer auf dem Markt errichteten großen Bude aus. Dieses Panorama, über dessen Größe nichts bekannt ist, fand das Gefallen des Publikums:

„Ein kunstgemäßerer und dabei wohlfeilerer Genuß, als das Panorama des Herrn Gutperle auf dem hiesigen neuen Markt ihn bietet, ist selten zu haben. Einsender dieses, [...] fühlt sich gedrungen, [...] alle Kunstfreunde darauf aufmerksam zu machen, daß das durch neuere Pädagogik zu so großem Ansehen erhobene Anschauungsvermögen bei diesen Rundgemälden eine so reichhaltige und interessante Uebung an Gegenständen der Natur und Kunst findet, welche im Vergleich zu dem wohlfeilen Entree zu nur 2 ggr. jede Erwartung übertrifft. Ein Kunstfreund."15


Die Illustration gibt leider nur einen unvollkommenen Eindruck von dem wirklichen Aussehen dieses Panoramas. Ostfriesische Zeitung, 25.12.1852


Das Rundgemälde von London, aufgestellt vom 26.12.1852 bis zum 23.1.1853 in Emden, war das letzte Panorama, das groß angekündigt als Attraktion an sich erschien. Alle Panoramen, die zu einem späteren Zeitpunkt in Ostfriesland gezeigt wurden, waren entweder nicht so attraktiv, daß sich der Aufwand einer Zeitungsannonce lohnte, oder wurden im Rahmen eines größeren Programms vorgezeigt. Der Maler Bühr-len z.B. präsentierte „das größte und unstreitig: Das eleganteste und schönste Panorama, was jemals gezeigt wurde"16 zusammen mit dem „Buschweib Afandy aus der Wüste von Südafrika". Wenn auch das Panorama aus den Anzeigen der Tagespresse verschwand, so führte es dennoch ein zähes Leben auf den Schützenplätzen und Märkten. Aus den Akten über die Lustbarkeitssteuer der Stadt Leer 1895 bis 1914 geht hervor, daß bis zum Jahre 1907 noch regelmäßig Panoramen ausgestellt wurden, ab 1902 von dem in Aurich ansässig gewesenen Hanselmann. Inhaltlich wurden im Panorama nicht mehr Ansichten von Großstädten geboten, sondern fast ausschließlich Aktualitäten illustriert. So heißt es im „Wilhelmshavener Tageblatt" vom 21. Juni 1898 mit leicht ironischem Unterton:

„Dazwischen hörte man [...] die ohrenzerreißenden Anpreisungen der Würfelbuden und des Panoramas. Das Letztere dürfte jedenfalls insofern als ein Kunstwerk eigener Art angesehen werden, als es bereits fix und fertig die Seeschlacht von Cavite, sowie das neueste Unglück auf der Zollerngrube uns vorführt - also immer das 'Allerneuste'. Ob der mit einer so reichen Phantasie begabte Maler die Einzelheiten der Schlacht von Cavite, die sogar von Augenzeugen - je nachdem sie den Spaniern oder Amerikanern angehörten - widersprechend erzählt wurden, selbst an Ort und Stelle studirt hat, wissen wir nicht, wir nehmen es aber an."

Diorama, Cyclorama, Mechanisches Theater

Das Panorama als statisches Arrangement hatte den großen Nachteil, daß es unbeweglich blieb, gerade auf dem Jahrmarkt wird es aufgrund der fehlenden Größe sicher oftmals nur noch die Gestalt eines Kolossal-Gemäldes angenommen haben. Der bei allen Schaustellungen zu beobachtenden Entwicklung, daß bei länger unveränderter Präsentation das Interesse des zahlenden Publikums schnell erlahmte, traten die Schausteller mit neuen Formen des Panoramas entgegen. In den „moving pa-noramas" und im Diorama wurde es nun möglich, Zeit- und Bewegungsabläufe darzustellen und so die dem Panorama anhaftende Starre zu überwinden.

Das erste „Diorama" genannte Unternehmen kam unter Leitung von F. Scheikel 1876 zum Schützenfest nach Emden. In einem Diorama wird durch verschiedene Be- und Hinterleuchtung einer bemalten Leinwand z.B. ein Tag-Nacht-Effekt hervorgerufen, oder auch gerne ein Brand mit lodernden Flammen nachempfunden. Auch eine Explosion wie bei Scheikel (sowie feierliches Begräbnis der Verunglückten) wird sehr effektvoll ausgesehen haben, zumal mechanische Figuren die Illusion verstärkten. Vom 3. bis 5.4.1884 gab der später mit einem Wanderkino durch die Lande ziehende Franz Thiele ein Gastspiel mit seinem „Riesen-Wandel-Diorama". Er erhielt eine sehr freundliche Besprechung in der Ostfriesischen Zeitung vom 3. April d.J.:

„Die Bilder sind so interessant, daß sie auch den Erwachsenen eine angenehme Unterhaltung bieten, namentlich die Landschafts- und Architekturbilder lassen sich den besten hier gesehenen zur Seite stellen. Auch die bei ihnen zur Verwendung kommenden mechanischen Veranstaltungen, z.B. ein dahinrollender Eisenbahnzug, sind sehr geschickt ausgeführt."

Ein Jahr später kam ein Unternehmen, das den Namen des Erschaffers des ersten großen Dioramas in Paris 1822, Daguerre, führte: Das „Theatre Daguerre". „Eine Mitternachtsmesse in der Kirche St. Etienne du Mont", „Ausbruch des Vesuvs bei Neapel" und „Der Feensee und das Jupiterfest im Götterhimmel17 wurden so geschickt in Szene gesetzt, daß die Presse enthusiastisch von der Produktion zu berichten wußte:

„Aeußerst naturwahr ist z.B. der Ausbruch des Vesuvs dargestellt: Wir sehen den Golf von Neapel im hellen Sonnenschein. Durch eine Aenderung in der Beleuchtung sehen wir in dunkler Nacht die riesigen Feuergarben aus dem Krater emporsteigen, wir sehen, wie sich der Strom der glühenden Lava vom Berge herabwälzt, - immer intensiver wird der Feuerschein, alles in seine Gluth tauchend, — daneben zittert das bleiche Mondenlicht auf dem wildbewegten Wasser, und in der ganzen Natur zeigt sich die wildeste Empörung."18

Parallel zum Diorama, dem zumindest in den aufgeführten Fällen ein starker Zulauf beschert war, entwickelte sich eine Darstellungsform, bei der die Panoramaleinwand an den Betrachtern vorbeigezogen wurde und so eine Fluß- oder Eisenbahnfahrt nachahmte: das Cyklorama oder „moving panorama". Vorbild für die Ostfriesland anfahrenden Unternehmer mit derartigen Darbietungen waren die großen Flußpanoramen Samuel Hudsons, der in Nordamerika mit seinem Cyklorama vom Ohio- und Mississippi-River große Erfolge feiern konnte. Der von einer Walze auf die andere laufende Leinwandstreifen hatte eine Höhe von 3 und eine Länge von 1257,9 Metern!19 Eine Kopie dieses Panoramas war u.a. 1850 in der Hamburger Tonhalle zu sehen und scheint die deutschen Schausteller zur Nachahmung angeregt zu haben. Daher kann es nicht verwundern, daß der schon bekannte H. G. Crombach als erster „Ciclo-rama"-Unternehmer zum Emder Schützenfest 1855 die Ostfriesen eine nordamerikanische Flußfahrt nachempfinden ließ: „1) Die Ufer des Hudsonflusses in Amerika, eine malerische Reise von Newyork, Brooklyn, Philadelphia bis Baltimore."20

Auch acht Jahre später schien das Thema noch nicht überholt. Die Witwe Topfstädt schickte in ihrem vom 24.5. bis 7.6.1863 aufgestellten Cyclorama die Emder wieder auf große Flußfahrt: „Topfstädt's großes Cyclorama des Mississippi- und Ohio-Flusses, darstellend die belebte Ansicht von 12 Staaten Amerika's, oder: Reise von Pittsburg bis New-Orleans, eine Ausdehnung von 2300 Meilen. -


Nicht nur das "Ciclorama" scheint beachtenswert, es gab u.a. interessante physikalische Experimente zu sehen, ja, selbst zu spüren. Der tanzende Mann in der Illustration scheint Bekanntschaft mit der Elektrizität zu machen ... Ostfriesische Zeitung, 25.8.1855


Der Beschauer glaubt sich auf einem Dampfschiffe zu befinden und fährt in größter Schnelligkeit durch ganz Amerika, auf welcher Reise er nicht nur die bedeutendsten Städte dieses Landes zu Gesicht bekommt, sondern auch berühmte Berge, Wasserfälle etc., mit einem Worte: ganz Amerika."21 Die frappierende Ähnlichkeit zu Hudsons moving panora-ma dürfte nicht rein zufällig gewesen sein, sondern das Resultat reger Anteilnahme an seinen Aufführungen. Gegen Ende der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts wurden Anzeigen über Cyklorama-Vorführungen immer seltener. Dies lag nicht daran, daß diese Schaustellung völlig verschwand, sondern daß sie in sog. „Mechanischen Theatern" in das sonstige Programm integriert wurde. Von diesen Theatern glich keines dem anderen. Sie benutzten auf vielerlei Weise mechanische Figuren, um ganze Szenerien in Bewegung zu versetzen.

Der Mechanikus G. Schmidt präsentierte neben Zauber- und Akrobatikvorstellungen als „Zweite Abtheilung: Mechanisches Theater. Die Erstürmung und Uebergabe der Festung Comorn. Diese Ansicht enthält die überraschendsten Wirkungen eines beweglichen Theaters. Man erblickt die Festung naturgetreu dargestellt, umgeben von zahlreichen Hügeln und Schanzen, woraus man österreichisches Militair feuern sieht. Man bemerkt hierbei das lebhafte Musketenfeuer, das Pferdegetrappel, den Trommelwirbel, den Transport der Verwundeten, ferner das Gefecht vor der Festung zwischen den Ungarn und Österreichern, wie dieselben bataillonsweise gegen einander anschlagen und abfeuern; mit einem Worte Alles naturgetreu dargestellt."22

Auch die oft täuschend echt wirkenden Wachsfiguren wurden in mechanische Bewegung gesetzt, wie z.B. bei Peter Böhme, der 1868 nach Emden kam. Er hatte außerdem als besondere Attraktion einen kleinen mechanischen Vogel, „welcher singt und überhaupt jede Bewegung wie ein Lebender Macht." Böhmes Unternehmen beschreibt sein zeitweiliger Bediensteter Robert Thomas:


Mit diesem Unternehmen zog Robert Thomas durch Süddeutschland. Ostfriesische Zeitung, 24.4.1868


„Ich mußte zunächst die Orgel drehn, die Bude reinigen und die Panoramagläser putzen. Die Bude war französisch gebaut, d.h. hinten tief und vorn hoch, und hatte eine Länge von etwa zwanzig Metern. An der Fassade der Bude waren einige bewegliche Tableaus, Schweizer Landschaften, eine Karawane in der Wüste und ähnliche Gegenstände angebracht. Auch die Orgel war mit einer beweglichen Gruppe, einer Schusterfamilie, wo der Meister einen Schuh klopfte, der Lehrling den Pechdraht zog und die Meisterin ein Kind auf ihrem Arme wiegte, dekoriert. Im Innern gab es fünf größere Tableaus mit beweglichen Figuren, darunter die Notre Dame-Kirche zu Paris mit Andächtigen, der Golf von Neapel mit Wellenschlag und segelnden Schiffen, die Tuilerien in Paris während der Kommune und noch verschiedne Panoramengemälde. In dem Extrakabinett gab es eine Gruppe mechanischer Singvögel und zwei Panoramagemälde: der Tod des Königs Friedrich August von Sachsen in Tirol und die Inquisition in Spanien. Das Personal bestand aus dem Neffen der Frau Böhme mit Namen Gustav Lindig, der einen Teil der Tableaus und die mechanischen Singvögel aufzuziehn hatte und abwechselnd mit dem Dienstmädchen das Extrakabinett öffnete, meinem Freunde Brunner, der die ändern Tableaus aufzog und die Lampen besorgte, und mir."23

Das mechanische Theater war also ein Konglomerat vieler Schaustellungen. Noch deutlicher trat dies beim Mechanischen Theater „Alham-bra" von F. Lorgie auf, der im Oktober 1872 nach Leer kam. Das Programm beinhaltete u.a. „Productionen der höheren Magie, Kunstballet von mechanischen Figuren, Automaten, Die Einschließung von Paris, Darstellung des Diaphram, Welt- und Naturspiegels der neu erfundenen Photogasbilder oder beweglich Agioskope."24 Leider können hier nicht alle mechanisch-optischen Theater und ihr Programm beschrieben werden, denn ihre Zahl und ihre Vielfalt war unübersichtlich groß. Sie blieben noch sehr lange auf den Märkten. Otto Stahmer25 erinnert sich daran, auf dem Freimarkt in Bremen noch bis zum Ersten Weltkrieg eine Form, das „Mechanische Bergwerk", gesehen zu haben:

„Durch einen Mechanismus führten die kleinen Bergmannsfiguren entsprechende Bewegungen aus. Für Kinder ein phantastisches Wunderwerk. Mir kam es immer merkwürdig vor, daß die Bergleute in den Förderkörben [...] niemals ausstiegen, die hatten nach meiner Meinung einen guten 'Job' erwischt. Unten schoben einige ihren 'Hund', an dem mitunter mal einige Räder fehlten, unentwegt auf der Bahn in den Tunnel und auf der anderen Seite wieder hinaus. In den anderen Stollen wurde eifrig gepickt und geschaufelt." Dies war die wohl letzte, stark miniaturisierte Version des Mechanischen Theaters, dessen Niedergang 1895 einsetzte und um die Jahrhundertwende vollzogen war.


Tom Pouce, der erste berühmte Zwergenwüchsige der Neuzeit. Signor Saltarino: Fahrend Volk. Leipzig 1895, S. 53


Eine Sonderstellung innerhalb dieses Sujets nimmt M. Morieux aus Paris ein, der ab 1860 des öfteren die ostfriesischen Städte aufsuchte. Als „M. Morieux & Comp." kam er am 1.9.1860 zum ersten Mal nach Em-den und brachte als besondere Sensation „Admiral Tom Pouce" mit, „der kleinste Herr der Welt, 21 Jahre alt, 23 Zoll hoch".26 Tom Pouce, in England auch „General Tom Thumb" genannt, hieß eigentlich Charles S. Stratton und war der erste kleinwüchsige Mensch, der in der neueren Zeit als Schaustellungsobjekt entdeckt worden war.27 Geboren im nord-amerikanischen Staate Connecticut, bereiste er seit seinem 6. Lebensjahr zahlreiche Staaten Europas, Mittel- und Nordamerikas, bevor er ab ca. 1854 in Deutschland und Holland zu sehen war und dort den Boden für die Zurschaustellung von Klein- und später auch Riesenwüchsigen bereitete. Im Gegensatz zu heutigen Gepflogenheiten fand damals kaum jemand etwas dabei, lebende „Abnormitäten" gegen Entgelt zu betrachten. Auch aus dem ostfriesischen Raum kamen Vertreter dieser Form der Schaustellung. Georg Theodor Ulpts, geboren am 3.7.1860 in Wittmund, konnte neben seiner Kleinwüchsigkeit (98 cm) komisches Talent aufweisen, so daß sein Erfolg auf den Bühnen nicht nur seinem Zwergenwuchs zuzuschreiben ist.28 Die „Ostfriesischen Riesenzwillinge", die im Juni 1896 in Wilhelmshaven zu bestaunen waren, imponierten dagegen allein durch ihre Leibesfülle:


Ostfriesische Zeitung, 22.4.1876


„Die Ostfriesischen Riesenzwillinge Heini und Lini Poelmann aus Glansdorf, Kreis Leer, 3 Jahre alt, 230 Pfd. schwer, Einzig in ihrer Art, [...]. 1000 Mark erhält derjenige, der ein gleiches Zwillingspaar aufweist."29

Soweit der kleine Exkurs über die damals üblichen Zwergen- und Riesenpräsentationen. In Morieuxs Mechanischem Theater gab es neben Tom Pouce Nebelbilder, Stereoskope und 1865 auch ein von H. Horward in Washington gemaltes Cyclorama zu sehen, das durch vielfältige Szenerien belebt wurde. Die Geschichte seines Theaters beschrieb Morieux in einer Annonce 1865 wie folgt:

„Das Theater ist dasselbe, welches 22 Jahre lang seine Vorstellungen auf dem Boulevard du Temple in Paris gegeben hat. 1847 gab es zum ersten Mal seine Vorstellungen in Berlin vor der Königlichen Familie, später in Dresden vor dem Könige von Sachsen und vielen anderen hohen Herrschaften, so wie am 10. Juli 1863 eine Extra-Vorstellung vor Sr. Majestät dem König von Hannover und hoher Königlicher Familie etc.etc.«30

Man sieht, auch die Königshäuser waren der von Schaustellern und Zauberern gebotenen Kurzweil durchaus zugetan. Gar als „Hofkünstler" zu gelten, kam für die fahrenden Unternehmer einem Ritterschlage gleich.

Ob in Bremen, in Oldenburg oder in Ostfriesland, die Zeitungsberichte waren immer enthusiastisch, obwohl das Theater oft die gleichen Plätze aufsuchte, kam Langeweile nicht auf. Zum Besuch 1876, das Unternehmen hatte inzwischen sein Sohn Eugen van Devoorde31 übernommen, gab das Leerer Anzeigeblatt eine genaue Beschreibung des in Morieuxs Theater Aufgeführten:

„Höchst gelungen in seiner Anordnung und decorativen Details ist das wandelnde Theater der ersten Abtheilung: 'Eine Reise von London nach Paris.' Dieser schließt sich 'der Karneval von Venedig' an. Beim Aufziehen des Vorhangs sehen wir im Prospekt die berühmte Brücke über den Rialtofluß. Das Proscenium stellt einen Quai dar, auf dem eine Menge bewegliche Figuren die Scenerie beleben. Maskenzüge zu Wasser und zu Land geben uns ein Bild des weltberühmten venetianischen Mummenschanzes. Die Nacht bricht an, der Mond zeigt sich; Laternenmänner erscheinen und zünden die Laternen an; die Häuser werden im Innern erleuchtet und das bunte Leben und Treiben läßt allmälig nach. Inmitten der Scene ist ein provisorischer Tanzsaal errichtet, der bis dahin heruntergelassene Vorhang desselben erhebt sich und man sieht die bunten Paare lustig sich im Kreise drehn."32


Das letzte Auftauchen des Theater Morieux im ostfriesischen raum. Vom Rodenkircher Markkt und vom Kramermarkt in Oldenburg kommend stellt Hensel seine Bude in Wilhelmshaven auf. Wilhelmshavener Tageblatt, 25.10.1896


Niemand konnte sich dem Zauber der Vorstellungen entziehen. Mal wurden die Besucher in 20 Minuten in van Devoordes „Blitzzug" um die Welt gehetzt, der in Windeseile die Türkei, Italien, Schweiz, Deutschland, Amerika und Grönland durchfuhr, um schließlich zum Nordpolarmeer zu gelangen (wie in Leer 1887), dann wieder durchlebte man zu den Klängen einer österreichischen Musikkapelle die „Sündfluth", geschehen in Wilhelmshaven 1891. Immer war den Schaustellungen lebhafte Zustimmung gewiß. Und noch 1896, das Theater war mittlerweile in die Hände des bisherigen Geschäftsführers E. Hensel aus Bremen übergegangen33, gab die „Ostfriesische Zeitung" aus Emden kund:

„Das Theater Morieux gehört unstreitig zu den größten Sehenswürdigkeiten auf dem Gebiet der Schaustellungen."34

Aber auch dieser Ruhm währte nicht ewig. Die letzten Gastspiele in Ostfriesland fanden 1896 statt, auf dem Bremer Freimarkt war das Etablissement 1903 letztmalig zu finden. Kurz darauf ist es schließlich nach Rußland verkauft worden.35



Anmerkungen

1 Leerer Anzeigeblatt, 40. Jg., Nr. 52,3.5.1887. Im Bericht zu einer Vorstellung des „Theater Morieux".

2 Ostfriesische Zeitung, Emden, 57. Jg., Nr. 240,12.10.1868.

3 Zglinicki, Friedrich von: Der Weg des Films. Hildesheim 1979, S. 66.

4 Vgl.: Hoffmann, Detlef/Junker, Almut: LaternaMagica. Berlin (West) 1982, Text zu „IX, Dante Alighieri. Die Göttliche Komödie", ohne Seitenzahl.

5 Vgl.: Hoffmann/Junker, a.a.O.

6 Ostfriesische Zeitung, 65. Jg., Nr. 97, 26.4.1876.

7 Ostfriesische Zeitung, 91. Jg., Nr. 264, 10.11.1902.

8 Ostfriesische Zeitung, 97. Jg., Nr. 378, 8.12.1908.

9 Ostfriesische Zeitung, 100. Jg., Nr. 88,30.3.1911.

10 Vgl.: Scheurer, Hans: Zur Kultur- und Mediengeschichte der Fotografie. Köln 1987,S.54.

11 Oettermann, Stephan: Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums. Frankfurt/Main 1980, S. 178.

12 Norder Stadtblatt, 2. Jg., Nr. 98, 25.5.1849.

13 Oettermann, a.a.O., S. 179.

14 Ersuch von Heinrich Georg Crombach um Erlaubnis, sein Panorama zeigen zu dürfen, vom 7.6.1848. Staatsarchiv Aurich, Rep. 15,5882.

15 Ostfriesische Zeitung, 42. Jg., Nr. 12, 14.1.1853.

16 Ostfriesische Zeitung, 52. Jg., Nr. 202, 29.8.1863.

17 Leerer Anzeigeblatt, 38. Jg., Nr. 81, 14.7.1885.

18 Leerer Anzeigeblatt, 38. Jg., Nr. 85, 23.7.1885.

19 Vgl.: Oettermann, a.a.O., S. 260.

20 Ostfriesische Zeitung, 25.8.1855, 44. Jg., Nr. 200.

21 Ostfriesische Zeitung, 24.5.1863, 52. Jg., Nr. 120.

22 Ostfriesische Zeitung, 26.8.1853, 42. Jg., Nr. 201.

23 Thomas, Robert: Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren. Leipzig 1905,5.147.

24 Leerer Anzeigeblatt, 25. Jg., Nr. 125, 22.10.1872.

25 Stahmer, Otto: Erinnerungen an den Bremer Freimarkt in Bild und Wort. Handschriftliche Aufzeichnungen zu den Aquarellen im Morgenstern-Museum, Bremerhaven. Aquarell Nr. 12.

26 Ostfriesische Zeitung, 49. Jg., Nr. 205, 1.9.1860.

27 Vgl.: Saltarino, Signor (= Otto, Hermann-Waldemar): Fahrend Volk, Leipzig 1895, S. 53. Auch: Altick, Richard D.: The shows of London. Harvard 1978,5.258.

28 Saltarino, a.a.O., S. 57f.

29 Wilhelmshavener Tageblatt, 22. Jg., Nr. 135, 11.6.1896.

30 Ostfriesische Zeitung, 54. Jg., Nr. 165, 16.7.1865.

31 Vgl.: Leerer Anzeigeblatt, 29. Jg., Nr. 52,4.5.1876 (Anzeige Morieux). Auch: Peters, Fritz: Freimarkt in Bremen, Bremen 1962, S. 108. Ein als Sohn M.s bezeichneter Devoorde war 1885 Leiter des „Theatre Daguerre".

32 Leerer Anzeigeblatt, 29. Jg., Nr. 47, 22.4.1876.

33 Vgl. Peters, a.a.O., S. 108.

34 Ostfriesische Zeitung, 85. Jg., Nr. 259, 3.11.1896.

35 Peters, a.a.O., S. 108.