Bernd Poch
- Wanderkino in Nordwestdeutschland
Zurück zur Übersichtsseite 1. Filmvorführung in Jever: 18.12.1896 im Konzerthaus Jever, bis 20.12.1897. Paul Behrens aus Bremen. Annonce 17.12.1896, Jeversches Wochenblatt
Zeitungsartikel: „Jever, 17.Dezbr. Im Konzerthause beginnt morgen Freitag die Vorführung lebender Photographien durch den Kinematographen, die Vorstellungen dauern drei Tage, also bis Sonntag einschließlich.(Siehe Inserat.) Die lebenden Photographien üben überall, wo sie gezeigt werden, eine große Anziehungskraft aus. Dem Kinematographen liegt das Prinzip des Edisonschen Kinetoskop zu Grunde. Aber statt der nur zollgroßen beweglichen Figürchen des Kinetoskopen führt der Kinematograph ganze Straßenszenen und Vorgänge mit Hunderten von Menschen in natürlicher Größe dem Auge vor. Diese Bilder werden durch den Kinematographen auf eine gespannte Leinewand geworfen und zeigen eine Plastik und Perspektive wie die besten Panoramen, dabei aber erscheint alles, was sich bewegt und lebt, in vollkommen natürlicher Bewegung. Das wird dadurch erreicht, daß der Kinematograph alles, was sich vor seiner Kamera abspielt, in den denkbar kleinsten Theilbewegungen erfaßt und auf einen hautartige n Streifen bannt, der sich in einem luftdicht verschlossenen Kasten vertikal entrollt. Dieser kasten ist mit einem Objektiv versehen, das sich in bestimmten Intervallen öffnet und schließt, und so entsteht eine Reihe durch die Stillstände scharf von einander abgesetzter Bilder, die unter sich nur geringe Abweichungen von einander zeigen, in ihrer Gesamtheit aber die lebendigsten Szenen wiedergeben. In nicht weniger als 15 Theile zerlegt der Apparat die Bewegungen einer Sekunde. Der Kollodiumstreifen nimmt also, sich aufrollend, in einer sekunde 15 Bilder auf, und um die Bewegungen von einer Minute festzuhalten, bedarf es 900 Photographien, wozu ein 18 Meter langer Streifen von 3 Ctm. Breite erforderlich ist. In derselben Weise bringt der Kinematograph das , was er aufgefangen, zur Schau. Von elektrischem Bogenlicht hell bestrahlt, rollt sich der Kollodiumstreifen durch einen Präzisionsmechanismus mit ruckweisen Bewegungen auf, und so schnell arbeitet der Apparat, daß man meint, er stehe still und zeige nur ein einziges Bild auf dem gespannten Leinwandrahmen. Durch den Kinematographen lassen sich künftighin historische Begebenheiten festhalten und in der Natürlichkeit nicht nur jetzt, sondern auch den künftigen Geschlechtern wieder zur Anschauung bringen. K ünstl er und Künstlerinnen können als Tänzer, Fechter, Akrobaten, Jongleure, Turner überall in ihren Leistungen in Natürlichkeit dadurch vorgeführt werden. Elementare Ereignisse und Naturwunder, wie Niagarafall, Rheinfall, Gießbach etc., werden uns natur g etreu veranschaulicht und ebenso das Leben und Treiben der entferntesten Kulturvölker und der wilden Völkerstämme. Aehnlich wie der Phonograph Gesang und Musik festhält und wiedergiebt, so bewahrt der Kinematograph Vorgänge des Lebens und führt sie uns jederzeit naturgetreu wieder vor Augen.“ Jeversches Wochenblatt, 17.12.1896.
„Jever, 19.Dezbr. Die Vorführung lebender Photographien mittelst des Kinematographen im Konzerthause hat gestern begonnen. Der Besuch war ganz bedeutend und alle waren entzückt von der wunderbaren Erfindung, die sich durch die Darstellungen offenbart. Von den gestern gezeigten Photographien seien besonders hervorgehoben: Ein Spaziergang im Pariser zoologischen Garten, eine Straße in Venedig, Ankunft eines Eisenbahnzuges auf dem Bahnhof zu Lyon, eine Gartenszene u. dgl. m. Es muß wiederholt darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Darbietungen nicht denen eines Panoramas gleichen, sondern daß alles Leben und Bewegung ist, daß die Vorgänge sich haarscharf dem Auge so zeigen, wie man sie im Leben wahrnimmt. Eben darum erregen diese lebenden Photographien mit Recht Staunen und Bewunderung. Auch für Kinder sind die Vorführungen sehr interessant, die vielen Hunderte, denen der Besuch gestern ermöglicht war, wurden von großem Jubel erfüllt. Wer irgendwie dazu in der Lage ist, der sollte nicht versäumen, sich mit der epochemachenden Erfindung, die heute Sonnabend und morgen Sonntag noch im Konzerthause zu sehen ist, bekannt zu machen.“ Jeversches Wochenblatt, Nr. 297, 20.12.1896
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