Bernd Poch :Wanderkino ...

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2. Filmvorführung in Oldenburg 1897

7. Januar- 28.Januar 1897 in der „Union“, Heiligengeiststr.

Paul Behrens aus Bremen

(Generalvertreter der Deutschen Automaten-Gesellschaft)

Zeitungsartikel:

„Der Kinematograph Lumiére, der morgen Donnerstag, nachmittag 3 Uhr in der „Union“ vorgeführt wird, ist nicht etwa identisch mit dem vor kurzem hierselbst gezeigten Apparat. Bei letzterem sah man kleinere verschwommene Bilder; doch welch ein Unterschied zwischen jenem und dem Lumiére-Kinematograph. Bei letzterem erscheinen die einzelnen Photographien, vom elektrischen Bogenlicht hell bestrahlt, so deutlich und scharf, daß sogar die Gesichtszüge eines Menschen vollkommen erkannt werden können. Ueberall, wo die Erfinder, die Herren Lumiére aus Lyon, ihren Wunderapparat vorführten, als zum Beispiel in Wien, Berlin, Hamburg, Dresden, Bremen, war der Erfolg in jeder Hinsicht ein großartiger. Die vorgeführten Photographien sind zum Teil Landschaftsbilder, Strandidyllen, Straßenszenen, Eisenbahnzüge etc., zum teil auch komischen Genres. Es wäre zu wünschen, daß auch das Oldenburger Publikum durch zahlreichen Besuch sein Interesse für das großartige Unternehmen kundgeben würde.“

Nachrichten für Stadt und Land, Nr. 4, 6.1.1897
 

„Die lebende Photographie, wie sie der Lumiér´sche Cinematograph, der gegenwärtig in der „Union“ ausgestellt ist, darstellt, ist thatsächlich eine der wunderbarsten Erfindungen unseres Jahrhunderts. Wenn sie auch nicht die eminent praktische Bedeutung der Telegraphie und des telephons haben kann, so steht sie doch in ihrer Wirkung und ihrer Zukunft weit über dem Phonographen, denn sie beherrscht vollkommen die Wirklichkeit, und dies um so mehr, als sie die dargestellten, handelnden Personen in natürlicher Größe vorführt. Muybridge, Anschütz, Merrey, die Geistesfürsten der Momentphotographie, Demeny, der geniale Konstrukteur, haben dem König der erfinder, Edison, zu seinem Kinetoskop, das in der Berliner Gewerbeausstellung alle Welt in Erstaunen setzte, die Bahnen geebnet; aber Edison´s Kinetoskop läßt nur Miniaturfigürchen in allerdings verblüffender Plastik und Natürlichkeit operieren, während der Lumiér`sche Apparat auch die Dimension beherrscht. Er ist bis jetzt von keinem anderen Apparat übertroffen worden ; wenn auch der Amerikaner Ademor Petit inzwischen einen Apparat ankündigt, der noch besser sein soll- der Lumiér´sche Apparat steht so hoch, daß etwas besseres kaum möglich ist. Wer gesehen hat, wie die starre Leinwand plötzlich ein Straßenbild von New York mit seinem Hasten und Jagen wiedergiebt; wie der Konstabler den Verkehr ordnet; und alles in natürlicher Größe durcheinanderwogt; wie die elektrischen Wagen dahinhuschen - der muß sich sagen - hier hat die Wissenschaft eine ihrer größten Triumphe gefeiert. Die Täuschung ist hier der Wirklichkeit so nahe, daß der Zuschauer, wohl durch den ordnenden Konstabler beeinflußt, der das Publikum vor den nahenden elektrischen Wagen warnt, das eigentümliche Geräusch derselben zu hören meint. Der genialste Marinemaler wird niemals den Eindruck hervorrufen, und sei es sein bestes Bild, wie der Cinematograph mit seinem : „das Ausladen eines Dampfers“. Hier ist alles Scene, vom prustenden, fauchenden Dampf, der dem Schiffe entsteigt, bis zu den Bewegungen des faullenzenden Arbeiters, der auf den aufgestapelten Säcken lungert. Das Schlußbild: „Der Gärtner, der von seinem Lehrling gehänselt wird,“ ist von so packender Natürlichkeit und solch´ drastischer Wirkung, daß wir schon seinetwegen unseren Lesern nicht dringend genug den regsten Besuch des Lumiére´schen Cinematographen empfehlen können.“

Nachrichten für Stadt und Land, Nr. 6, 8.1.1897
 

„Die lebende Photographie, dargestellt durch den Cinematograph, die seit voriger Woche in der „Union“ zu sehen ist, findet mit jedem Tag größeren Anklang. Wir haben es hier nicht mit einem einzelnen Gegenstand zu thun, sondern sehen deutlich und greifbar in unnachahmlicher Natürlichkeit alles, was in der Natur lebt und sich bewegt, vor uns. New York stellt sich uns mit seinem Volksgetümmel und regen Verkehrsleben vor, ebenso anschaulich wird uns das Ausladen eines Dampfers gemacht und die Ankunft eines Eisenbahnzuges in Lyon. Eine hübsche Episode aus irgend einer größeren Stadt stellt sich uns in dem Bilde „Ein Reiseabenteuer“ vor und lächeln muß man über „tanzende Kinder“, die in ihren weißen Kleidchen im Garten umherhüpfen. Nicht ein einziges Bild entbehrt des Reizes und da man nicht tote Gegenstände und Menschen sondern nur die Natur vor sich zu haben glaubt, so bedauert man nur, daß ihr nur eines fehlt, die Sprache.- Wie der Phonograph Gesang und Musik festhält und wiedergiebt, so bewahrt uns der Cinematograph das ganze Leben und spiegelt es naturgetreu wieder.“

(Generalanzeiger für Oldenburg und Ostfriesland, Nr. 9, 12.1.1897)
 

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