3. Die Angebotspalette der Ludwigshafener Kinos 1945-1949

Spielfilme reflektieren dominierende Bewußtseinslagen ... der Gesellschaft und der Zeit, in der und für die sie gemacht wurden. Umso bedauerlicher ist es, daß sie den meisten Historikern ... als historische Quelle suspekt 61sind. Gerade


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die Alltags-, die Mentalitäts- und die Regionalgeschichte des 20. Jahrhunderts würde anhand dieser Quellen mehr Tiefenschärfe gewinnen. Doch nicht nur die Interpretation von Filmen, sondern vor allem das Filmangebot ist für den Historiker von Interesse. Anfangs wurde bereits auf die empirische Methode der Auswertung von Kinoanzeigen in der Tagespresse eingegangen. Um Filme nach Herkunftsland und Genre einordnen zu können, mußten sie unter Zuhilfenahme verschiedener Lexika 62 einzeln recherchiert werden. Gerade französischsprachige Produktionen waren oftmals mit mehreren deutschen Titeln im Angebot und damit schwieriger zu ermitteln als beispielsweise deutsche, britische oder amerikanische Filme. Eine lexikographische Datensammlung aller Produktionen, die in der französischen Zone gezeigt wurden, würde die Arbeit wesentlich erleichtern und wäre für die Zukunft wünschenswert. Bei der empirischen Erforschung des Filmangebots wurden verschiedene Aspekte berücksichtigt:

Zum einen wurde die unterschiedliche Verteilung von Filmen nach Produktionsland und Herstellungsjahr analysiert. Bei der Beschreibung der Aufgaben der Section Cinèma wurde bereits angesprochen, daß die Spielpläne der Kinos in der französischen Zone besatzungspolitischen Beschränkungen unterlagen. Besonders vor der Bildung der Trizone im Jahre 1948 unterschied sich die Angebotspalette, vor allem was die Herstellerländer von Spielfilmen betrifft, erheblich von den anderen Besatzungszonen 63.

Zum anderen wurden die Häufigkeit der verschiedenen Filmerscheinungsformen bewertet. Welche Genres setzten sich in der Nachkriegszeit durch? Wie waren die Filme gestaltet, die damalige Zeitgenossen in viel größerer Zahl als heute in die Kinos strömen ließen? Diese Fragen können nicht zuletzt Aufschluß über die Ängste und Sehnsüchte der Menschen, sowie deren soziale und politische Lebensverhältnisse in der Trümmerzeit geben.

Als Instrumentarium zur Differenzierung des Spielplans wurden sieben Genreklassen gewählt, denen die gezeigten Filme zugeordnet wurden:

1. Komödien
2. Musikfilme
3. Melodramen und Schicksalsfilme
4. Abenteuerfilme
5. Western
6. Kriminalfilme



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1945 im Jahr der Kapitulation ließen sich in Ludwigshafen nur 14 Filme 64 in einem Lichtspieltheater feststellen: Neun Streifen stammten aus deutscher Kriegsproduktion, waren also zwischen 1939 und 1945 hergestellt worden und somit Reprisen aus der Zeit vor 1945. Gemeinsam hatten solche Produktionen („Sophienlund“, D 1943; „Wir bitten zum Tanz“, D 194; „Der erste Ball“, D 1944; „Romantische Brautfahrt“, D 1944; „Die Frau meiner Träume“, D 1943; „Rosen in Tirol“, D 1940; „Der weiße Traum“, D 1943 und „Der Majoratsherr“, D 1943/44) auch das Genre: Es handelte sich um unverfängliche Lustspiele und Musikfilme ohne realistische Handlung, die schon in der Kriegszeit viele Freunde gefunden hatten und deshalb auch zur sogenannten Stunde Null den von Goebbels erwünscht en Erfolg der Ablenkung und Zerstreuung garantierten. In der Besetzung fanden sich heute noch bekannte Schauspieler/-innen, wie Marika Rökk, Hans Moser, Theo Lingen, Johannes Heesters und Willi Birgel etc. Die technisch brillianten, aber in der Handlung simplen UFA-Filme zeigten systemstabilisierende, allgemein akzeptierte, autoritär getönte Normen und Werte, zu deren Kanon es gehörte, Politik erst gar nicht zu thematisieren. Komödien hatten in der Kriegszeit die Funktion, Durchhaltevermögen und Widerstands willen der Deutschen im Bombenalltag zu stärken. Auch in der trostlosen, entbehrungsreichen Nachkriegszeit transportierten diese Filme ihre tröstende und stabilisierende Botschaft 65.

Die anderen fünf Filme stammten aus der Heimat der Besatzer: „Der erste Ball“ („Premier Bal“, F 1941) paßt mit seinem heiteren Inhalt zu den deutschen Filmen. Bei „Versprechen einer Unbekannten“ („Promesse á l’inconnue“, F 1942), „Wetterleuchten“ („Lumiere d’ètè“, F 1943), „Oberst Chabert“ 66 („Le colon“, F 1943) einem Streifen nach einem Roman von Honorè de Balzac und „Die Satansboten“ 67 („Les visiteurs du soir“, F 1942) von Marcel Carnè handelte es sich um Liebesfilme und Dramen. Die fünf französischen Produktionen waren Originalversionen, wovon wohl einige notdürftig mit deutschen Untertiteln versehen waren. Sie hatten wegen des Sprachproblems nur geringe Chancen auf Zuspruch.

In Ludwigshafen kam es 1946 zu einer starken Angebotsausweitung: In vier Lichtspieltheatern wurden 126 Filme 68 gespielt, wobei ein ähnlicher Trend wie 1945 zu verzeichnen ist. Deutsche und französische Produktionen stellten mit 60 bzw. 58 Filmen den größten Anteil. Weitere acht Streifen kamen aus Öster-


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reich vor 1938, aus den USA, Großbritannien und der Sowjetunion. Deutsche Produktionen, wiederum Reprisen oder Überläufer, die bei Kriegsende auf den Schneidetischen lagen, hatten als Lustspiele, Operettenfilme und Verwechslungskomödien den gleichen Inhalt wie das deutsche Angebot vor 1945.

Inzwischen hatte die Section Cinèma eine größere Menge französischer Filme kopieren lassen, die zumindest mit deutschen Untertiteln versehen waren. Unter den Produktionen Frankreichs dominierten in Ludwigshafen solche aus der Kriegszeit. 1940-1944 war Fran kreich von Hitlerdeutschland besetzt, die südlichen Teile Frankreichs standen unter der Herrschaft des autoritären Vichy-Regimes, dessen Zensurinstanzen dafür sorgten, daß der französische Film sich von politisch verfänglichen Themen fernhielt. Daher war in dieser Phase Evasion - erzwungene Flucht aus der Realität - die Devise des französischen Films, die meisten Regisseure widmeten sich dem neuen Stil ästhetizistischer Wirklichkeitsferne und brachten es dabei zu bedeutenden Leistungen. Im Gegensatz zu den deutschen Reprisen bestach das Angebot an französischen Kriegsproduktionen nicht nur durch technische Qualität, sondern vor allem durch die anspruchsvollere Themenauswahl. Die Franzosen dichten Filme beschrieb es in der Nachkriegszeit der Filmexperte Johannes Eckardt 69 ... Ich erinnere nur an Andrè Gide, (Jean) Giraudoux, (Paul) Claudel, (Jean) Anouilh, (Jean) Cocteau, (Jean-Paul) Sartre. Der französische Film hat aus dieser Verbindung mit den führenden Dichtern des französischen Volkes seit je sich bestrebt , ernste Probleme des menschlichen Lebens aufzugreifen. Die Qualität des französischen Films war in Deutschland unbestritten. Im Jahre 1948 wurde Carnès „Die Kinder des Olymp“ („Les enfants du paradis“, 1943-1945) in einer Umfrage bei den westdeutschen Kinotheaterbesitzern zum künstlerisch besten Film gekürt 70. Er gilt auch heute noch als einer der besten französischen Filme. „Die Kinder des Olymp“, zu dem Jacques Prèvert das Drehbuch schrieb, leitete eine neue Nachkriegsepoche des französischen Films ein. Die Auswahl französischer Filme in Ludwigshafen hatte ihre Schwerpunkte in den Sujets Krimi, Melodram und Abenteuerfilm. Da die Kinos bei Vorführungen deutscher Streifen überfüllt waren, sich jedoch die Nachfrage nach französischen Produktionen beim deutschen Publikum in Grenzen hielt, mußte ihre Verbreitung gefördert werden. Beim monopolartigen besatzungseigenen Verleih galt 1946 für einige Monate die Regel, daß jeder Kinobesitzer, der einen deutschen Film ausleihen und vorführen wollte, auch eine französische Produktion zeigen mußte 71. Zuweilen intervenierten die Besatzungsbehörden bei den Kinobesitzern, damit sie französische Film ins Programm aufnahmen. Auch der als Vorfilm eingesetzte KZ-Dokumentarfilm „Todeslager“ war eine Auflage der Besatzungsbehörden. Er mußte in der ersten Hälfte des Jahres im einzigen Ludwigshafener Theater, dem „Pfalzbau“, neben der Wochenschau vor jedem Spielfilm gezeigt werden.


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Bemerkenswert ist die unterschiedliche Programmgestaltung der Ludwigshafener Kinos. Die beiden unter dem direkten Einfluß der französischen Besatzung stehenden UFA-Theater in der Ludwigshafener Innenstadt zeigten deutlich mehr französische Filme als die beiden in der zweiten Jahreshälfte gegründeten Vorstadtkinos in Oggersheim (Vgl. Tabelle). In den in der zweiten Hälfte des Jahres 1946 eröffneten Vorstadtkinos dominierten deutsche Kriegsproduktionen, im Tonbild wurden bis auf eine österreichische Vorkriegsproduktion ausschließlich deutsche (23) Filme gezeigt 72. Der Zwang zu französischen Filmen war also zumindest in der zweiten Hälfte des Jahres nicht mehr erkennbar. Mit der Verbotsliste der alliierten Besatzungsmächte nahmen es die französischen Behörden vor Ort offenbar nicht so genau. Denn im „Pfalzbau“ überraschte das indizierte Sittendrama „Die goldene Stadt“ 73 (D 1942) des NS-Regisseurs Veit Harlan. Harlan war als Regisseur des rassistischen, heute noch verbotenen Propagandafilm „Jud Süß“ (D 1940) bekannt geworden.

1947 stieg das Angebot auf 168 Filme 74, obwohl die Zahl der Vorführstätten gleich blieb. Dafür waren vor allem die deutschen Produktionen (107 Filme) verantwortlich.

Immer noch wurden amerikanische (7) und britische (4) Produktionen kaum gezeigt. Unter dem Posten „Andere“ (12) summieren sich sowjetische, deutsch-ungarische und deutsch-französische Gemeinschaftsproduktionen. Französische Filme (37) nahmen insgesamt an B edeutung ab, obwohl einzelne Genres Publikumsrenner wurden. Vor allem Schicksalsfilme waren in den Kriegsjahren in Frankreich die sicherste Kapitalanlage für die Produzenten 75. Dieses Genre schaffte es nach dem Kriege auch deutsche Zuschauer zu Tränen zu rü hren, um sie schließlich durch ein „Happy End“ zu trösten. Mehrfach lief in verschiedenen Ludwigshafener Kinos „Der blaue Schleier“ („Le voile bleu“, F 1942) oder der melodramatische Streifen „Im Fieber der Liebe“ („Fiévre“, F 1941) von Jean Delannoy. Delannoy war auch Regisseur des Schicksalsfilms „Der ewige Bann“ („L'Eternel retour“, F 1943). Großes Interesse fanden in Ludwigshafen auch französische Kriminalfilme, wie der geschickt gemachte Streifen „Der Mörder wohnt in Nr. 21“ („L'assasin habite au 21“, F 1942) von Henri-Georges Clouzot. Innerhalb der deutschen Filme etablierten sich 25 Filme, die vor 1938 produziert worden waren. Gespielt wurden auch schon drei deutsche Nachkriegsfilme, darunter die DEFA-Produktion „Die Mörder sind unter uns“ (D 1946) von Wolfgang Staudte, mit Hildegard Knef in der weiblichen Hauptrolle. Der Film konnte bereits im Mai 1947, etwa ein halbes Jahr nach seiner Premiere in Berlin, im Ludwigshafener „Rheingold“ anlaufen. In der britischen und amerikanischen Zone wurde die Produktion aus der sowjetischen Zone erst zwei Monate später freigegeben.


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Pfalzbau

Rheingold

Schillerplatz

Tonbild

Andere

Deutschland

bis 1938

1

1

1

1

4

Deutschland

bis 1945

10

6

18

22

56

Österreich

1

-

1

1

3

USA

2

-

-

-

2

Großbritannien

-

1

-

-

1

Frankreich

36

18

4

-

58

Andere

2

-

-

-

2

1: Das Spielfilmangebot in einzelnen Ludwigshafener Kinos 1946 nach Produktionsland. Quelle: Serielle Auswertung von Kinoanzeigen in: RHPF, 1. Januar bis 31. Dezember 1946.

Auf die einzelnen Lichtspielhäuser verteilen sich die Filme wie folgt: Das „Lichtspielhaus am Schillerplatz“ und das „Tonbild“-Theater in Oggersheim zeigten immer noch mit Vorliebe deutsche Produktionen (33/32), darunter vorwiegend Reprisen (25/26). Amerikanische, englische und österreichische Produktionen wurden in diesen beiden Kinos kaum gezeigt.

Auch im „Rheingold“ und im „Pfalzbau“ spielten deutsche Produktionen (23/21) inzwischen eine wichtige Rolle, lagen aber immer noch niedriger als an der Peripherie. Bemerkenswert ist, daß immer noch rund ein Drittel der Auswahl des „Rheingold“ und des „Pfalzbau“-Theaters aus französischen Streifen (12/9) bestand. In den beiden innerstädtischen Theatern liefen keine österreichischen und britischen Filme. Im Rheingold spielten amerikanische (3) wie sowjetische Produktionen (4) eine geringe Rolle.

Im Jahre 1948 wurden in Ludwigshafener Spielstätten 232 Filme 76 angeboten. Der Zuwachs war vor allem durch die Neueröffnungen des „Metropol“ und des „Scala“ im nördlichen Stadtgebiet von Ludwigshafen zustande gekommen. Das Angebot aus dem Heimatland der Besatzungsmacht stagnierte bei 36, bei gleichzeitiger Steigerung der deutschen Produktionen (155). 17 britische und sieben amerikanischen Spielfilme setzten immer noch geringe


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Akzente. In den einzelnen Lichtspieltheatern kam es jedoch zunehmend zur Differenzierung des Angebots. Im „Rheingold“-Theater wurde der Trend zu mehr Vielfalt und zu neueren Filmen am deutlichsten. Hier war der Anteil deutscher Filme (18) niedriger als bei den anderen Spielstätten, zumal hier nur 25 Prozent des Gesamtangebots (11) auf deutsche Kriegsproduktionen fielen. Dagegen war eine breite Palette ausländischer, beispielsweise amerikanischer (6), britischer (4), französischer (12) und österreichischer (3) Produktionen vertreten.

Im „Pfalzbau“ (27), im „Lichtspielhaus am Schillerplatz“ (27), im „Tonbild“ (30), sowie in den beiden neueröffneten Theatern „Metropol“ (31) und „Scala“ (23) war der Anteil deutscher Filme größer. Der Anteil französischer Streifen war im Spielplan des Metropol mit zwei Filmen besonders gering und mit neun Filmen im Rheingold und im Lichtspielhaus Schillerplatz am höchsten.

1949 gab es in Ludwigshafen durch die Eröffnung von Capitol, Filmtheater Gartenstadt, Casino und Raschig-Filmtheater zehn Spielstätten. Folglich erhöhte sich auch das Spielfilmangebot auf 577 Produktionen 77 , über zwei Drittel davon wurden im zweiten Halbjahr 1949 gezeigt. Diese Entwicklung lag nicht allein am Aufkommen der neuen Spielstätten, da sich auch bei den sechs Kinos, die bereits 1948 existierten, eine Vergrößerung des Angebots feststellen ließ. Offenbar wurden hier zusätzliche Vorstellungen eingeschoben. Nicht nur durch die Anzahl, sondern auch durch unterschiedliche Herkunft und breitere Themenpalette der Filme sind die Spielpläne reichhaltiger geworden. Das unterstreichen die meistgespielten Produktionen des Jahres. An erster Stelle der Ludwigshafe ner Hitliste stand der amerikanische Film „Das Lied von Bernadette“ („The song of Bernadette“, USA 1943). Das historisch-religiöse Drama um eine Nonne der die Muttergottes in Lourdes erschien, hatte den Roman von Franz Werfel zur Grundlage. Es stand in sechs Theatern mehrfach auf dem Spielplan. An zweiter Stelle folgte der deutsche Nachkriegsfilm „Die Söhne des Herrn Gaspary“ (D 1948), er wurde wiederholt in vier Kinos gezeigt. Den dritte Rang belegte ein britischer Film „Die Madonna der sieben Monde“ („Madonna of the seven moons“, GB 1944), ebenfalls ein dramatisches Rührstück. Diese „Hitliste“ weist bereits auf einen nachdrücklichen Bedeutungsgewinn von Filmen aus dem englischsprachigen Raum hin. Im französisch besetzten Ludwigshafen erhöhte sich die Zahl amerikanischer Filme (119) und nahm den zweiten Platz ein. Britische Produktionen (96) gewannen ebenso verstärkt die Gunst des Ludwigshafener Publikums. Auch französische Produktionen (46) waren, in absoluten Zahlen stärker als im Vorjahr vertreten, ihre Bedeutung fiel jedoch gegenüber den Anfangsjahren mit weniger als zehn Prozent auf die vierte Stelle zurück. Das Interesse der Besucher an einem breiten internationalen Filmangebot war groß, nach einer langen Phase der Beschränkungen durch Nationalsozialismus und durch französische Besatzungsbehörden.


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Pfalzbau

Rhein-
gold

Schiller-
platz

Tonbild

Metropol

Scala

Capitol

Garten
-stadt

Kasino

Raschig

Gesamt

Deutschland
bis 1938

12

12

13

10

12

8

9

5

6

2

87

Deutschland
bis 1945

20

11

7

4

20

8

4

9

2

4

81

Deutschland
ab 1945

18

13

8

16

14

2

6

3

7

2

89

Österreich

5

9

7

7

5

-

1

2

2

3

41

USA

27

29

20

18

9

-

9

4

1

2

119

Großbritannien

16

9

16

15

18

6

9

3

3

1

96

Frankreich

7

5

6

9

8

-

6

-

3

3

46

Andere

1

6

1

-

5

1

1

-

2

1

18

Das Spielfilmangebot in einzelnen Ludwigshafener Kinos 1949 nach Produktionsland. Quelle: Zusammengestellt durch serielle Auswertung von Kinoanzeigen in: RHPF 1949 und durch Recherche in entsprechenden Lexika (vgl. Anm. 62).


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Bei den englischsprachigen Produktionen waren nicht nur die melodramatischen Stoffe, wie „Das Lied der Bernadette“ beliebt. Beste Beispiele im Ludwigshafener Angebot sind die heute noch bekannten Kriminal- und Spionagefilme „Die 39 Stufen“ („The thirty-nin e steps“, GB 1935) und „Verdacht“ („Suspicion“, USA 1941) von Alfred Hitchcock, aber auch „Zwielicht“ („The october man“, GB 1947). Auch Abenteuerfilme, wie „Gefährliche Reise“ („Caravan“, GB 1946), „Abenteuer in der Südsee“ („Son of Fury“, USA 1942) und „ Der Herr der sieben Meere“ („The sea hawk“, USA 1940) mit Erol Flyn in der Hauptrolle, bereicherten die Kinopalette.Das Westerngenre brachte „Der große Bluff“ („Destry rides again“, USA 1939) mit Marlene Dietrich und Stewart Granger in den Hauptrollen den Ludwigshafener Cinèasten näher. Mit „Der Glöckner von Notre Dame“ („The hunchback of Notre-Dame“, USA 1939) wurde den Kinozuschauern nicht nur ein bis heute bekannter historischer Filmstoff, sondern auch das Werk des in Ludwigshafen geborenen Hollywoodregisseurs William Dieterle präsentiert.

Trotz der beiden englischsprachigen Filme in der Spitzengruppe hatten deutsche Produktionen (257) noch immer den größten Anteil an den Ludwigshafener Spielplänen. Es waren jedoch nicht mehr nur Kriegsreprisen, sondern zunehmend auch Filme, die vor 1938 und nach 1945 produziert worden sind. Produktionen aus der Mitte der Dreißiger waren vor allem klassische Musikfilme, wie „Der Kaiserwalzer“ (D 1932) oder anspruchslos-volkstümliche Komödien, wie „Alles weg'n dem Hund“ (D 1935) mit dem Komiker Weiß Ferdl in der Hauptrolle. Auch „Mädchenräuber“ (D 1936) und „Blinde Passagiere“ (D 1935), die beiden deutschen Produktionen des weltbekannten dänischen Komikerpaares Pat und Patachon wurden mehrfach gezeigt. In Ludwigshafen stellten 89 Nachkriegsstreifen die größte G ruppe unter den deutschen Produktionen dar. In Form von leichten Unterhaltungsfilmen knüpften der Zirkusfilm „Tromba“ (D 1949) und die Verwechslungskomödie „Zwölf Herzen für Charly“ (D 1949) mit Heli Finkenzeller nahtlos an die UFA-Zeit an.

Zunehmend drängten auch sogenannte Zeitfilme in die Ludwigshafener Kinos, wie es der Streifen „Die Söhne des Herrn Gaspary“ (D 1948), die Nummer zwei der Kino-Höhepunkte zeigt. Diese zeitnahen Stories thematisieren die NS-Zeit („Morituri“, 1948), die Nachkriegszeit (wie der 1948 gedrehte Kriminalfilm „Blockierte Signale“) oder beides („Zwischen gestern und morgen“, D 1947). Fast alle zwischen 1946 und 1950 in Deutschland gedrehten Filme zeichneten sich durch Zeitnähe aus, die man rückblickend Trümmergenre 78 nennt. Der bereits 1948 gezeigte erste deutsche Film „Die Mörder sind unter uns“ stellte sich noch am ehesten der Vergangenheit. Es ist die Geschichte eines skrupellosen Fabrikbesitzers der Nachkriegszeit, der als Massenmörder entlarvt


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wird, dabei bleibt jedoch offen, ob und wie der Täter bestraft werden soll. Die nachfolgenden Trümmerfilme gingen weniger offen mit der deutschen Vergangenheit um. Die Täter wurden verdunkelt, entpersonifiziert, der Wirklichkeit entrückt, als das Böse schlechthin dargestellt 79. Die Zeitfilme der unmittelbaren Nachkriegszeit beschränkten sich meist darauf, die Bewältigung privater Schicksale zu zeigen, ohne die Ursachen und die Verantwortlichen aus der NS-Zeit zu zeigen 80. Dabei verzichtete der Trümmerfilm bewußt auf allzu realistisches Zeigen von Ruinen, Not, Gewalt und Schlachtszenen.

Deutsche, amerikanische und britische Produktionen dominierten nicht nur das gesamte Ludwigshafener Angebot, sondern bestimmten mit geringen Abweichungen auch die Palette der einzelnen Ludwigshafener Kinos. Beim „Rheingold“ waren britische Filme unterrepräsentiert zugunsten von amerikanischen und österreichischen Streifen, während das „Metropol“ vermehrt britische Produktionen zeigte und US-Filme in geringerem Maße im Angebot hatte. Der klassische Unterschied zwischen Peripheriekinos und Innenstadttheatern war, was ausländische Produktionen betrifft, nicht mehr klar erkennbar. Internationale Produktionen waren nun auch in einzelnen kleineren Vorstadtkinos („Schillerplatz“, „Tonbild“ und „Capitol“) zu sehen, hingegen zeigten Innenstadtkinos auch verstärkt deutsche Produktionen. Es fällt aber auf, daß die Mehrzahl der Vorstadtkinos, insbesondere die Neugründungen ihren Programmschwerpunkt immer noch bei deutschen Kriegsproduktionen suchten. (vergleiche Tabelle)


1945

1946

1947

1948

1949

Deutschland

9

60

107

155

257

Österreich

-

3

1

4

41

USA

-

2

7

8

119

Großbritannien

-

1

4

17

96

Frankreich

5

58

37

36

46

Andere

-

2

12

12

18

Gesamt

14

126

168

232

577

Das Spielfilmangebot in Ludwigshafen 1945 - 1949 nach Produktionsland. Quelle: Zusammengestellt durch serielle Auswertung von Kinoanzeigen in: RHPF 1945-1949 und durch Recherche in entsprechenden Lexika (vgl. Anm. 62).


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Wie 1946 wurden auch 1949 Veit Harlan-Filme gezeigt, diesmal im Oggersheimer „Tonbild“. Im Januar lief der bereits zwei Jahre zuvor im „Pfalzbau“ gezeigte sogenannte Sittenfilm „Die goldene Stadt“ 81 und im April stand der indizierte Streifen „Opfergang“ 82 auf dem Programm.

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Anmerkungen

61 Irmgard Wilharm, Lizenzfilme der Nachkriegszeit als Quellen für das historische Bewußtsein der Deutschen, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.), Bundesrepublik Deutschland, Geschichte - Bewußtsein (Bonn 1989) S. 187 f.

62 Alfred Bauer, Deutscher Spielfilmalmanach 1929-1950, Bd. 1, 2. Aufl. (München 1976); Ders., Deutscher Spielfilmalmanach 1946-1955, Bd. 2 (München 1981); Dennis Gifford, The British Film Catalogue 1895-1985. A reference guide, 2. Auflage (London 1986); Leslie Halliwell, Halliwell’s Film and Video-Guide, 10. Überarbeitete und erweiterte Auflage (New York 1995); Lexikon des internationalen Films (wie Anm. 1); Ephraim Katz, The Macmillan international film encyclopedia, 4. Auflage (London 1996); Jean Loup Passek (Hg.), Dictionnaire du Cinéma (Paris 1991).

63 Gleber (wie Anm. 8) S. 494 ff.

64 Spielplan Ludwigshafen 1945 zusammengestellt von Karl-Friedrich Michel aus: RHPF von 1945.

65 Zu deutschen Reprisen vgl. Bogusaw Drewniak, Der deutsche Film 1938-1945. Ein Gesamtüberblick (Düsseldorf 1987); Zum Phänomen der Überläufer vgl. Kahlenberg (wie Anm. 11) S. 472.

66 Deutscher Alternativtitel ”Gräfin Chabert”.

67 Deutsche Alternativtitel ”Die Nacht mit dem Teufel”, ”Der Teufel gibt sich die Ehre”

68 Spielplan Ludwigshafen 1946 zusammengestellt von Karl-Friedrich Michel aus: RHPF von 1946.

69 IFW, 11 (1949) S.168.

70 IFW, 42 (1948) S. 402.

71 Lauer (wie Anm. 9) S. 72 und S. 82.

72 Vgl. Gleber u.a.(wie Anm. *) S. 14 u. S. 16.

73 Vgl. Verbotsliste, abgedruckt in: Pleyer (wie Anm. 6) S. 432.

74 Spielplan Ludwigshafen 1947 zusammengestellt von Sibylle Schneickert aus: RHPF von 1947.

75 Jerzy Toeplitz, Geschichte des Films, Bd. 2: 1934-1945 (München 1972) S. 1399.

76 Spielplan Ludwigshafen 1948 zusammengestellt von Bernd Helmling aus: RHPF von 1948.

77 Spielplan Ludwigshafen 1949 zusammengestellt vom Autor aus: RHPF von 1949.

78 Zum Trümmerfilm vgl. Pleyer (wie Anm. 6) S. 51 ff.; Kahlenberg (wie Anm. 11) S. 470 ff.; Hermann Glaser, Kleine Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989 (Bonn 1991) S. 119 ff.; Klaus Kreimeier, Die Ökonomie der Gefühle. Aspekte des westdeutschen Nachkriegsfilms, in: Deutsches Filmmuseum (Hg.), Zwischen gestern und morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946-1962 (Frankfurt am Main 1992) S. 8 ff.

79 Vgl. Claudius Seidl, Die große Lüge. Das deutsche Kino im Jahre Null, in: Spiegel special. Die Deutschen nach der Stunde Null 1945-1948, 4 (1995) S. 74.

80 Vgl. Wilharm (wie Anm. 61) S. 193 ff.

81 Vgl. Verbotsliste abgedruckt in: Pleyer (wie Anm. 6) S. 432.

82 Vgl. Verbotsliste abgedruckt in: Pleyer (wie Anm. 6) S. 438.